Glanz der Geburt

Birgitta von Schwedens Vision von der Geburt Christi. Als Darstellung auf dem Hochaltarretabel in der Marienkirche in Frankfurt (Oder). Eine Bildbetrachtung

Darstellung der Geburt Christi auf dem Frankfurter Hochaltarretabel. Evangelische Kirchengemeinde Frankfurt (Oder)-Lebus, Holger Kupfer
Darstellung der Geburt Christi auf dem Frankfurter Hochaltarretabel. Evangelische Kirchengemeinde Frankfurt (Oder)-Lebus, Holger KupferEvangelische Kirchengemeinde Frankfurt (Oder)-Lebus, Holger Kupfer

Das ehemalige Hochaltarretabel der Stadtpfarrkirche St. Marien in Frankfurt (Oder), das heute den Kirchraum von St. Gertraud schmückt, zählt nicht nur in der Mark Brandenburg zu den größten und bedeutendsten spätmittelalterlichen Altaraufsätzen.

Der dreifach wandelbare Flügelaltar mit einem Mittelschrein von fast vier Meter Höhe, überlebens­großen Schnitzfiguren, prachtvoll gestalteten Tafelbildern und einem hochaufragenden Gesprenge war in der Mark zur Zeit seiner Aufstellung im Jahr 1489 einzigartig. Die stark glänzenden Oberflächen der Gewänder und Pressbrokate gehen allerdings auf die um 1829/30 unternommene Neuvergoldung unter Karl Friedrich Schinkel zurück und dürften in der spätgotischen Originalfassung weit weniger dominant gewesen sein.

Szenen aus der Passion

Die Alltags- und die Sonntagsseite zeigen vor allem Szenen aus der Passion Christi. Die Festtagsseite präsentiert im Zentrum die Gottesmutter als Patronin der Marien­kirche, begleitet von den Heiligen Adalbert und Hedwig sowie auf den seitlichen Flügeln Szenen aus dem Marienleben beziehungsweise der Kindheit Christi. Größe und Pracht des Altars, der Kurfürst als Patron der Marienkirche und die Tatsache, dass die Heilige Hedwig statt des sonst üblichen Herzoghutes einen Kurhut trägt, legen nahe, dass es sich um eine kurfürstliche Stiftung handelt.

Die künstlerischen Beziehungen des Altars nach Nürnberg, der Freien Reichsstadt, die zwischen 1470 und 1530 ihre Blütezeit erlebte, verweisen ebenfalls auf die Hohenzollern, die ihr Stammterritorium in Franken hatten. Erst nach dem Tod des Kurfürsten Albrecht Achilles (1414–1486) wurde das Herrschaftsgebiet der Hohenzollern in den brandenburgischen und fränkischen Bereich geteilt. Johann Cicero (1486–1499), Sohn und Nachfolger von Achilles, war der erste Hohenzollern, der nicht mehr im fränkischen Heilsbronn, sondern in der Mark bestattet und später in den Berliner Dom überführt wurde.

Wandel der Ikonografie

Die Darstellung der Geburt Christi wurde über die Jahrhunderte immer wieder neu interpretiert und die festen Bestandteile neu komponiert: der Stall, das Kind in der Krippe, Maria und Josef, Ochs und Esel und die Hirten. Einen entscheidenden Wandel erlebte das Geburt-Christi-Bild jedoch Ende des 14. Jahrhunderts durch die große Visionärin Birgitta von Schweden (1303–1373), deren Offenbarungen eine neue Ikonografie etablierten. Nicht mehr Maria im Kindbett. Sie erlebt eine göttliche Geburt – oft auch als „schmerzlose Geburt“ interpretiert. Birgitta entstammte dem schwedischen Hochadel und war zeitlebens eine auch international äußerst einflussreiche Persönlichkeit. Bereits als Kind soll sie Visionen erfahren haben. Während einer Pilgerfahrt ins Heilige Land empfing sie 1372 ihre wohl in Bezug auf die bildende Kunst einflussreichste Offenbarung, die in Bethlehem empfangene Vision von der Geburt Christi.

Politische Teilhabe und göttliches Licht

Bereits zwischen 1475 und 1480 wurden Birgittas Visionen in Venedig auf Latein veröffentlicht. Der erste erhaltene deutsche Druck erschien 1478 in Lübeck. Mit Holzschnitten versehen wurde der Text noch im selben Jahr in Nürnberg aufgelegt. In deutscher Übersetzung wurde „Das puch der Himlischen offenbarung der heiligen wittiben Birgitte von dem künigreich Sweden“ 1502 veröffentlicht.

Auf dem Frankfurter Altar ist die Geburt Christi auf dem rechten Seitenflügel der Festtagsseite dargestellt. Einzelne Motive aus der Offenbarung Birgittas lassen sich gut nachvollziehen, etwa Ochs und Esel und die Kerze, die Josef vorbeibringt. Auch der abgelegte Schleier und die über die Schultern fallenden goldenen Haare Marias tauchen in der Vision auf.

Von zentraler Bedeutung ist das auf dem Boden liegende von einem Strahlenkranz umgebene nackte Kind, vor dem Maria ehrfürchtig kniet und das sie ohne Anstrengung geboren hat. „Unnd schnell in einem augenblick hat sy geporen iren sun von dem so ein gross unaussprechlich liecht und schein ausgieng.“

Die Botschaft ist im doppelten Sinne eindrücklich. Der Stifter des Altars signalisiert die Teilhabe an den aktuellen Debatten der Zeit. Das göttliche Licht jedoch möge uns Freude und Zuversicht schenken.

Claudia Rückert ist Kunstgutreferentin der EKBO.

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