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Gewerkschaften: Längere Arbeitszeit schadet Wirtschaft und Menschen

Längere Schichten, später in Rente? Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht dadurch Risiken für Gesundheit und Wirtschaft. Welche Folgen die Gewerkschaftler befürchten und was sie stattdessen vorschlagen.

Sollte es erlaubt sein, regelmäßig länger als acht Stunden am Tag zu arbeiten? Und sollten Deutsche später in Rente gehen? In der Diskussion hat sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu Wort gemeldet. Höhere Arbeitszeiten seien nicht nur mit gesundheitlichen Risiken verbunden, sondern schadeten auch der Wirtschaft, sagte der Geschäftsführer des DGB Mittelfranken, Stephan Doll, am Mittwoch vor Journalisten in Nürnberg. Die Regierung hatte im Koalitionsvertrag festgelegt, auf eine wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit setzen zu wollen und mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie mehr Flexibilität argumentiert.

Mit einer höheren Tageshöchstarbeitszeit gebe es mehr Erkrankungen infolge von mehr Stress, sagte Doll. Das bekämen die Sozialkassen zu spüren. Auch das Unfallrisiko steige durch längere Schichten. Durch mehr krankheitsbedingte Ausfälle werde langfristig das Arbeitspotenzial in der Bevölkerung geschwächt. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verschlechtere sich, da etwa Kinder länger betreut werden müssten. Das könne vor allem Frauen treffen, die oft weniger verdienten als Männer und eher ihre Arbeitszeit reduzierten.

Auch Vertreter zahlreicher Mitgliedsgewerkschaften – etwa aus Bau, Fleischverarbeitung, Reinigung, Verkehr und Metall – warnten vor einer Aufweichung der Regelungen. In vielen Branchen gebe es jetzt schon hohe Krankenstände. Häufig arbeiteten Menschen bereits länger, als es gesetzlich erlaubt sei. Wer zwischen Zeit und Geld wählen könne, etwa bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, entscheide sich öfter für mehr freie Zeit.

Längere Arbeitszeiten seien auch mit Blick auf das gesellschaftliche Leben problematisch, so die Gewerkschaftler. So bleibe weniger Zeit, um sich etwa in Vereinen zu engagieren oder dies den eigenen Kindern zu ermöglichen. Erfolgreiche Wirtschaftsregionen wie Bayern und Baden-Württemberg hätten zudem die meisten Feiertage. Nicht die Anzahl der geleisteten Stunden sei also relevant, sondern die Produktivität. Daher sei auch die Diskussion um die Abschaffung eines Feiertags nicht sinnvoll. Stattdessen solle an den Arbeitsbedingungen gearbeitet werden.

Ähnlich sehe es in Bezug auf das Renteneintrittsalter aus. Kaum jemand wolle bis 67 arbeiten. Das gelte gerade in körperlich anstrengenden Berufen. In der Metall- und Elektroindustrie etwa stiegen Mitarbeiter mit rund 60 Jahren aus. Meist seien weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer daran interessiert, dass jemand über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus bleibe, obwohl dies freiwillig möglich sei.

Der DGB forderte, das Arbeitszeitgesetz nicht aufzuweichen und insbesondere die tägliche Arbeitszeit nicht zu verlängern. “Der 8-Stunden-Tag wird durch die Wissenschaft bestätigt und hat sich bewährt.” Dem Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen könne man durch Tarifverträge entsprechen. Dort könnten diese so festgelegt und umgesetzt werden, dass sie auch im Sinne der Beschäftigten seien. “Deswegen müssen die Tarifbindung und die Mitbestimmungsrechte von Betriebs- und Personalräten gestärkt werden.”