In der Nürnberger Mundart aus der Zeit um 1400 liest der Erlanger Altgermanist Manfred Lautenschlager an diesem Mittwoch (22. Januar, 18 Uhr) in der Nürnberger Marthakirche Heiligengeschichten. Die Idee des Professors: Er will die einzigartigen wertvollen Glasbilder der Kirche mit den Heiligenlegenden verbinden, die von den Dominikanern für die Laien verfasst worden sind.
epd: Herr Lautenschlager, wenn Sie in einer Sprache lesen, die 600 Jahre alt ist, werden die Zuhörer Sie überhaupt verstehen können?
Manfred Lautenschlager: Das hoffe ich sehr. In der Sprache dieser Zeit gibt es noch keine fremd klingenden Lautverschiebungen wie später im Mittelhochdeutschen. Der Wortschatz ist einfach, es gibt nur wenige Wörter, die man erklären müsste. Vieles lässt sich erschließen. Wie die Menschen damals in Nürnberg gesprochen haben, habe ich in meinen Seminaren mit den Studierenden und in langer Leseerfahrung analysiert. Es gibt in solchen Texten Gesetzmäßigkeiten, die einem geradezu entgegenschreien. Zudem habe ich als gebürtiger Nürnberger die Sprache meiner Großeltern und Urgroßeltern gehört und lasse das einfließen. Alles bleibt natürlich ein Konstrukt, das manches Mal vielleicht auch zum Schmunzeln einlädt.
epd: Was könnte ein solches Wort sein, das man erklären müsste?
Lautenschlager: Das Wort Tugend vielleicht. Es bedeutet, dass ein Mensch mit Tugend sich für das Gute einsetzt und zwischen Gutem und Schlechtem unterscheiden kann. Er handelt nicht zu seinem eigenen Vorteil.
epd: Wo kommen die Legenden her, die Sie lesen werden?
Lautenschlager: Sie stammen aus „Der Heiligen Leben“, das in Nürnberg im 14. Jahrhundert von den Dominikanermönchen aufgeschrieben, unzählige Male kopiert und später auch gedruckt wurde. Die Fenster von St. Martha sind ein leuchtender Schatz, in dem die Heiligen dargestellt sind. Manche Besucher stehen davor und möchten vielleicht mehr darüber wissen. Die Legende der Martha etwa, über die ich am ersten Abend erzähle. Sie ist an den Südfenstern des Chorschiffs zu finden. Die Abbildungen des Heiligen Matthias sind auf der nördlichen Seite angebracht (Lesung am Mittwoch, 26. Februar, 18 Uhr). Aber die Kirche ist voll mit den schönsten Heiligenbildern. Jetzt sehen wir erst einmal, wie die Lesungen ankommen, dann kann ich mir noch weitere Abende vorstellen. (00/0186/21.01.2025)