Gern geschehen!

Über das Glück des Teilens schreibt Mechthild Karopka. Sie ist Pastorin in Prohn in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus.“ aus Jesaja 58,7-12
„Heute habe ich einen Menschen richtig glücklich gemacht“, erzählt unser jugendlicher Sohn stolz beim Abendbrot an einem Sommerferientag. Da wir als Eltern gern an diesem Glück teilhaben wollen, fragen wir ihn, was denn passiert sei. Schon deutlich verlegener erzählt er uns, dass zur Mittagszeit ein Obdachloser im Pfarramt geklingelt habe. „Aber ihr wart nicht da, und so habe ich ihn gefragt, ob ich ihm helfen könne. Er wollte etwas zu essen und schimpfte über sein Fahrrad. Immer wieder springe die Kette ab, es sei auch viel zu klein für ihn.“
„Jetzt sag‘ nicht, dass du ihm mein altes Fahrrad aus dem Schuppen geschenkt hast?“, unterbricht mein Mann mit der Vorahnung des weiteren Geschehens. „Doch“, bestätigt mein Sohn leise und versucht sofort zu entschärfen: „Aber dafür hat er seines hiergelassen. Und außerdem brauchst du doch das alte Fahrrad nicht mehr. Du hättest mal sehen sollen, wie er sich gefreut hat. Er hat Luftsprünge vor Freude gemacht, richtig hohe Luftsprünge.“
Die Augen unseres Sohnes über die Freude des obdachlosen Mannes strahlten am Abend noch immer. Natürlich hätte er fragen müssen, aber hätten wir es erlaubt? Das alte Fahrrad einfach so abzugeben? Ein Fahrrad, das nur als Sicherheit im Schuppen steht und das einem anderen das Leben doch so sehr erleichtert? Noch lange redeten wir an jenem Abend miteinander: Wann sind die Grenzen der Hilfsbereitschaft erreicht? Warum halten wir nicht selten an Dingen fest, die wir eigentlich nicht mehr brauchen? Was und wie teilen wir gerne mit anderen und welche Sachen benennen wir als unser Eigentum, ohne sie doch wirklich zu besitzen?
Unser Sohn und der Obdachlose waren an jenem Sommertag glücklich. In ihrer Begegnung waren sie beide zu Empfangenden geworden. Dem Bedürftigen wurde von unserem Überfluss zuteil. Sein Elend wurde gesehen und gelindert. Er wurde nicht ins Haus geführt, und doch war er wie einen Moment zu Hause. Immer wenn ich sein Fahrrad nun in unserem Schuppen sehe, muss ich an zwei glückliche Augenpaare denken.
Unsere Autorin
Mechthild Karopka
ist Pastorin in Prohn in Mecklenburg-Vorpommern.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.