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Geologe forscht an Frühwarnsystemen für Felsstürze in den Alpen

Wissenschaftler rechnen infolge der Klimaerwärmung in naher Zukunft mit deutlich mehr Felsstürzen in den Alpen. „Wir haben in den vergangenen Jahren eine unglaubliche Dynamik gesehen, die es vorher so nicht gab“, sagte der Geologe Johannes Leinauer im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) zum Internationalen Tag der Berge (11. Dezember). Auch Murgänge, also Erdrutsche aus Schlamm und Gesteinsmaterial, würden mit Sicherheit zunehmen, sagte der Mitarbeiter am Lehrstuhl für Hangbewegungen an der TU München.

Leinauer arbeitet im Rahmen des AlpSenseRely-Projektes vor allem am Hochvogel im Allgäu. Dort wird ein instabiler Bereich des Gipfels mit Messungen engmaschig überwacht, um Hangbewegungen zu erkennen und ein Frühwarnsystem auch für andere Alpengipfel zu entwickeln, wo Felsen abzustürzen drohen.

Steigende Temperaturen sorgten dafür, dass Gletscher schmelzen und Permafrostböden auftauen, sagte Leinauer. Eine relativ kleine Temperaturerhöhung habe in den Bergen bereits große Auswirkungen: „Wenn die Temperatur von -1 Grad auf +1 Grad steigt, taut Gestein auf, das vorher dauerhaft gefroren war. Das verändert das ganze System und bringt es aus dem Gleichgewicht.“ Viele Bereiche seien hier bereits an einem Kipppunkt, sagte der Geologe. Bis ein neues Gleichgewicht gefunden sei, könne es hunderte von Jahren dauern.

Durch den Klimawandel würden auch Starkniederschläge in den Alpen immer häufiger und intensiver, sagte Leinauer. Sie sorgen dafür, dass Hangbewegungen sich noch zusätzlich beschleunigen und Böden noch instabiler werden. Je schneller der Klimawandel fortschreite, umso schneller veränderten sich die Berge. „Darauf müssen wir uns vorbereiten.“

Anhand der gesammelten Daten der Wissenschaftler müssten Gemeinden und Kommunen entscheiden, wo sie sich etwa durch Baumaßnahmen vor Steinschlägen schützen können oder welche Bereiche sie als Gefahrenzonen ausweisen. „Es geht darum, ein Bewusstsein für die Gefahren zu schaffen.“ Dies sei auch im Bergsport wichtig, wo etwa bestimmte Routen in Zukunft nur noch zu bestimmten Jahreszeiten begangen werden könnten oder ganz verlegt werden müssten. Leinauer appellierte auch an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen: „Man sollte sich fragen: Welches Risiko möchte ich wirklich eingehen?“ (00/3903/10.12.2024)