Von Christian Feldmann(…) Die andere Welt hinter den Dingen, die Tiefendimension der vielfältigen Wirklichkeit, die Liebe, die das Universum trägt und so ein armseliges Menschlein allein auf Dauer glücklich machen kann – das wurde dem gefeierten König der römischen Künstler immer wichtiger. Michelangelo war ein misstrauischer, einsamer Mensch, der darunter litt, dass er bei aller Genialität von seinen Auftraggebern abhängig war, ständig ändern und umdisponieren musste und oft nicht verwirklichen durfte, was er für richtig und seriös hielt.Immer stärker zweifelte er am Wert der eigenen Arbeit. Melancholisch, scheu, in seinen Gedanken oft um den Tod kreisend, „eingeschlossen wie ein Geist in der Flasche“, wie er selbst es beschrieb, in einem häuslichen Chaos lebend, das sämtliche Dienstboten über kurz oder lang in die Flucht trieb, dann wieder jähzornig und aufbrausend, macht er den Eindruck eines psychisch angeschlagenen Menschen.Er brauche keine Frau, scherzte er gegenüber einem Priester, der den alternden Junggesellen bedauerte. „Nur zu viel habe ich mit einer Frau zu schaffen gehabt, das ist die Kunst, die mich stets gequält hat, und meine Kinder sind die Werke, die von mir zurückbleiben.“ Doch wer ihn genauer kannte, der wusste, dass seine eigentliche Liebe den jungen Männern galt, wenn sie nicht nur von Kraft strotzten, sondern auch geistig beweglich waren. (…)
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