Genesis: Schöpfungskunst in der Karlsruher U-Bahn enthüllt

In Karlsruhe wird die U-Bahn zur Kunst-Kathedrale: Mit dem Schöpfungsmythos als unterirdischem Kunstprojekt sorgt der Künstler Markus Lüpertz für Schlagzeilen.

Kunstwerk enthüllt: Markus Luepertz (re.) und Anton Goll, Vorstandsvorsitzender des Vereins „Karlsruhe Kunst Erfahren“, vor dem Relief „Der Aufgang der Sonne“
Kunstwerk enthüllt: Markus Luepertz (re.) und Anton Goll, Vorstandsvorsitzender des Vereins „Karlsruhe Kunst Erfahren“, vor dem Relief „Der Aufgang der Sonne“epdbild / Jörg Donecker

Es soll eine schöpferische Reise vom Dunkel ins Licht sein: Mit seinem großformatigen, 14-teiligen Keramik-Zyklus macht der Künstler Markus Lüpertz die Karlsruher U-Bahn zur Kunstgalerie. In der Nacht zum Freitag wurde die „Genesis“ vom Künstler enthüllt – exklusiv vor geladenen Gästen, darunter Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die badische Landesbischöfin Heike Springhart.

Um Mitternacht sind die ganz in weiß gehaltenen Haltestellen der Karlsruher U-Bahn menschenleer und liegen im Dunkeln, der Bahnverkehr ist eingestellt. Angestrahlt werden nur die acht Quadratmeter großen Keramikreliefs. Dies verstärkt den Eindruck einer unterirdischen Kunst-Kathedrale.

Altkanzler Schröder zu Gast

„Ich mag seine Kunst“, sagt Alt-Kanzler Schröder, bevor er mit seinem Freund Lüpertz in die Sonderbahn Richtung „Genesis 7“ steigt. Gemeinsam mit weiteren Gästen fahren sie vorbei an dreidimensionalen Großkeramiken wie „Regen des Überflusses“, „Die dreizehn Winde“ oder „Die Locken einer Frau“. Jedes der in hellen Tönen gestalteten Reliefs wiegt jeweils etwa 1,5 Tonnen und besteht aus zehn Tafeln.

Schon immer habe er ein großformatiges Keramik-Werk für den öffentlichen Raum schaffen wollen, erzählt Lüpertz, der am Dienstag 82 Jahre alt wurde. Damit will der Wahl-Karlsruher nach eigenen Worten seiner „Heimatstadt“ etwas zurückgeben. In dem Bildzyklus habe er das Gilgamesch-Epos, die biblische Schöpfungsgeschichte und die vier Elemente Wasser, Erde, Luft und Feuer „sehr frei und eigen interpretiert“.

Wer mit der U-Bahn fährt, kann in Karlsruhe künftig 'Kunst erleben
Wer mit der U-Bahn fährt, kann in Karlsruhe künftig 'Kunst erlebenepdbild / Jörg Donecker

Der zum Katholizismus konvertierte Künstler bezeichnet den Erhalt der Schöpfung als das Zukunftsthema. Für sein monumentales Projekt hat der im tschechischen Liberec geborene Maler und Bildhauer rund 20 Tonnen hellbraunen Ton geknetet, geformt, gebrannt und matt glasiert.

Als die Pläne 2017 bekannt wurden, hatte es intensive Debatten innerhalb der Karlsruher Stadtgesellschaft und der Kunstszene gegeben. Unter anderem wurde diskutiert, inwieweit religiöse Kunst einen Platz im öffentlichen Raum hat. Doch er habe eine völlig freie, selbst verantwortliche Kunst geschaffen, sagt der Künstler: „Ich freue mich schon auf den nächsten Skandal.“

„Ich will die Menschen berühren“

Er wolle mit seinen Bildern keine politische Aktualität, sondern Atmosphäre vermitteln, sagt Lüpertz: „Ich will die Menschen berühren.“ So würden sie hoffentlich auch Vandalismus vergessen. Es werde aber keine Sicherheitszone geben. Die dreidimensionalen Strukturen mit rauen und glatt glasierten Stellen dürfen nicht nur betrachtet, sondern auch berührt werden.

Als „Kunst, die uns alle angeht“ bezeichnete die badische Landesbischöfin Springhart die „Genesis“ bei der Vernissage. Der Untergrund von Karlsruhe zeige den Menschen als Teil der Umwelt, „für die wir alle Verantwortung tragen“, erklärte Springhart für die evangelische Landeskirche und das katholische Erzbistum Freiburg, die das Projekt auch finanziell unterstützen.

Sechs Jahre lang soll die vier mal zwei Meter große „Untergrund-Kunst“ fast rund um die Uhr und an 365 Tagen beidseitig an sieben Haltestellen anstelle von Werbeplakaten zu sehen sein. Die Kosten von einer Million Euro wurden ohne öffentliche Mittel komplett durch Spenden und Sponsoren aufgebracht.

Besucher begeistert

Staunen und Applaus von den ersten Besucherinnen und Besuchern. Keine andere Stadt könne so etwas bieten, eine Kunstausstellung in einer U-Bahn vorweisen, offen und kostenlos zugänglich für alle. Oder wie der Künstler meint: „Kunst existiert nur, wenn sie gesehen wird.“