Gemeinden müssen sich ihrer Geschichte stellen

UK 9/2019, Symbole/Glocken mit Hakenkreuz (Leitartikel Seite 1: „Glockengeläut mit Haken“, Seite 4: „Höhepunkt: Anzeige gegen Kirche“)
Die Autorin des Leitartikels ergreift Partei, indem sie wie die Jüdische Landesgemeinde fordert, Kirchenglocken mit dem Hakenkreuz sollten schweigen. Um es vorwegzunehmen: Selbstverständlich wende auch ich mich gegen die Verwendung des Hakenkreuzes und alles, was unter diesem Zeichen geschehen ist! Aber ich kann nicht erkennen, inwiefern dieses gewiss verwerfliche Symbol auf einer Kirchenglocke zu dessen Verbreitung dienen könnte, weder öffentlich noch in einer Versammlung, geschweige denn in einer Schrift. Auch „hält“ eine Kirchengemeinde derartige Glocken ja nicht „vorrätig“, wie es im Strafgesetzbuch lautet. Sie hängen zwar naturgemäß nicht im „stillen Kämmerlein“, aber zu sehen sind sie doch wohl nur von dazu befugten Küstern oder Fachleuten anlässlich einer Inspektion. Ich denke, niemand vermag zu hören, ob die Glocke ein Symbol trägt oder nicht.

Glocken seien eine hilfreiche Unterbrechung des Alltags, sagte der badische evangelische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh: „Der Klang der Glocken erinnert daran, dass Gott den Menschen frei macht zu beten und danach zu fragen, was wirklich zählt.“ Und das seit Jahrhunderten! Weit vor der unseligen Nazizeit!
Was wirklich zählt! Das ist nicht das quasi unsichtbare Symbol! Dennoch kann ich nachvollziehen, dass sich Menschen grämen, wenn sie um das Symbol auf der Glocke wissen, die sie gerade läuten hören. Daher funktioniert das „Deckmäntelchen des Schweigens“ auch hier nicht. Jede betroffene Kirchengemeinde ist gut beraten, wenn sie sich ihrer und der Geschichte ihrer Glocken stellt, sie aufarbeitet und sich mit einem Mahnmal oder in einer Denkschrift, das/die an geeigneter Stelle gut sichtbar installiert wird, vom Nationalsozialismus und seinen Folgen distanziert.

„Die Zeit des Hakenkreuzes ist vorbei und darf nicht wiederkommen“, ist der Autorin des Leitartikels beizupflichten. Aber als abschreckendes Lehrstück, als Mahnung an folgende Generationen darf sie nicht verdrängt werden, nicht in Vergessenheit geraten. Sollte die Bundesrepublik Deutschland jemals wieder von Faschisten regiert werden, was der gütige Gott verhüten möge, so sollte das letzte Stündlein der Glocken mit Hakenkreuzsymbol geschlagen haben, nämlich dann, wenn die aufrichtige Gemeinde sie aus Protest vom Glockenturm stürzt und sie am Boden zerschellt.
Hans-Georg Schmalenbach,
Lüdenscheid