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Geistige Brunnenvergiftung

Elvis, die Mondlandung, geheime Strahlen – schon immer haben Menschen ein Bedürfnis, obskuren Mächten geheime Absichten zu unterstellen. Das ist gefährlich.

Früher wurden sie hinter vorgehaltener Hand erzählt und meist belächelt: Verschwörungstheorien. „Elvis lebt.“ „Die Mondlandung hat nie stattgefunden.“ „Aluhüte helfen gegen geheime Strahlen.“

In der Coronakrise tauchen nun neue fantastische Geschichten auf. Und diejenigen, die sie erzählen, werden lauter, mutiger. Sogar Prominente beteiligen sich an dem Spiel mit der Angst.

Christinnen und Christen müssen hier eine Grenze ziehen. Denn durch haltlose Phantasien werden Menschen verunsichert. Viele der aktuellen Verschwörungstheorien haben zudem rechtsradikale und antisemitische Hintergründe.

Man mag kaum aufzählen, was sich derzeit um Corona für Geschichten ranken. So sei es das Ziel des Milliardärs Bill Gates, Übervater der Computer-Industrie, alle Menschen impfen zu lassen und ihnen dabei einen Chip einzupflanzen. Dieser mache dann Gates noch reicher und die Bevölkerung gläsern.

Anderslautende Theorien behaupten, das Virus sei von bösen Mächten entwickelt worden, um die Weltbevölkerung zu dezimieren. Solche Thesen verbreiten auch bekannte Persönlichkeiten wie der Musiker Xavier Naidoo oder der vegane Star-Koch Attila Hildmann. Gerade radikale oder labile Menschen scheinen offen zu sein für das abstruse Gedankengut.

So haben sich in den vergangenen Wochen Tausende zu Demonstrationen zusammengefunden. Dabei mischt sich ein Unmut über die Krise mit Hass auf die Regierung und die sogenannten Eliten. „Eine diffuse Unruhe erfasst das Land“, titelt die Süddeutsche Zeitung und zieht Vergleiche zu den Protesten im Herbst 2015.

Tatsächlich ist auch diesmal die AfD nicht weit. Ihre Mitglieder marschieren vorneweg. Es erschallen bekannte Rufe: „Lügenpresse“ und „Wir sind das Volk“.
Verschwörungstheorien gab es immer schon. Und oft hatten sie Folgen. Im Stalinismus wurde damit die Diktatur legitimiert. Die Nazis setzten sie gegen die Juden ein. Schon die Pest wurde auf die angebliche Vergiftung von Brunnen durch Juden zurückgeführt. Christinnen und Christen können sich solchen Theorien nicht anschließen – ob sie sich gegen Bill Gates, Israel oder die Bundesregierung richten. Was nicht belegbar ist, darf nicht verbreitet werden, denn es schadet Menschen.

Dem schiebt Gott in den Zehn Geboten einen Riegel vor, wenn es heißt „du sollst nicht falsch Zeugnis reden“. Und die Bekenntnisse der Reformation bekräftigen dies.

So heißt es im Heidelberger Katechismus: „Ich soll niemandem seine Worte verdrehen, nicht hinter seinem Rücken reden und ihn nicht verleumden.“ Vielmehr gelte es, „die Wahrheit zu lieben“ und des Nächsten „Ehre und guten Ruf zu fördern“.

Es liegt auf der Hand: Verschwörungstheorien treten vermehrt in Krisenzeiten auf. Da braucht es Sündenböcke. Wer sich aber daran beteiligt, stellt sich gegen den gesunden Menschenverstand und gegen Gottes Wort. Nötig sind Widerspruch und Zivilcourage, nicht Spaltung und Hass.