Das ZDF könnte einem Gutachten zufolge die Basis für ein gemeinwohlorientiertes digitales Netzwerk bilden, das als Gegengewicht zu den großen, von US-Konzernen dominierten Internet-Plattformen fungiert. Es gehe dabei nicht darum, eine weitere Plattform aufzubauen, sagte die Verwaltungsratsvorsitzende Malu Dreyer am Freitag bei der Sitzung des ZDF-Fernsehrates in Mainz. Allerdings wachse das Verständnis dafür, dass es in der digitalen Welt nicht mehr ausreiche, nur eigene Inhalte zur Verfügung zu stellen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte „digitale Infrastruktur und Räume zum Austausch“ zur Verfügung stellen. Das Gutachten hatte der Verwaltungsrat des Senders in Auftrag gegeben.
„Wir müssen uns immer wieder klar machen, Faktenchecks sind mittlerweile im Meta-Universum abgeschafft, und zwar total“, warnte die frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und SPD-Politikerin. „Fake News“ seien Tür und Tor geöffnet, diese dienten mittlerweile auch als Trainingsdaten für Anwendungen Künstlicher Intelligenz. Negative Folgen der Entwicklung seien bereits bei der vergangenen Bundestagswahl zu sehen gewesen, als Social-Media-Nutzern die Inhalte von Parteien der politischen Ränder nachweislich häufiger gezeigt worden seien als die der etablierten Kräfte. Diesen Entwicklungen müssten öffentlich-rechtliche und private Medien gemeinsam entgegentreten.
Der Hauptgutachter Frank Lobigs erklärte, die Bereitstellung eines gemeinsamen digitalen Raums für faktenbasierte Informationen und seriösen Austausch zivilgesellschaftlicher Gruppen mit offengelegten Algorithmen passe „perfekt“ zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk: „Es gibt keine andere Institution, die das könnte.“ Im ruinösen Wettbewerb mit den polarisierenden Social-Media-Plattformen sei in der digitalen Welt eine „privatwirtschaftliche Bereitstellung seriöser Angebote schlichtweg nicht mehr möglich“.
Etablierte Medien existierten lediglich noch dank der verbliebenen älteren Abonennten. Der Marktmacht ausländischer Tech-Konzernen könnten sie dauerhaft nicht standhalten. Dem derzeit zu beobachtenden Systemversagen könne die Gesellschaft auch nicht mit dem „verstreutem Angebot öffentlich-rechtlicher Inseln begegnen“, sagte Lobigs.
ZDF-Intendant Norbert Himmler erklärte, das ZDF unternehme bereits Schritte in der angedachten Richtung. So werde an einem europaweites Netzwerk der Mediatheken öffentlich-rechtlicher Sender gearbeitet. Auch habe die Sendeanstalt ihren Publikumsdialog ausgebaut.
Um die von den Gutachtern entworfene neue Rolle zu übernehmen, müssten die Länder den Auftrag des ZDF entsprechend neu formulieren. Außerdem wären zusätzliche Ressourcen nötig, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Diese sollen den Überlegungen nach nicht durch zusätzliche Anhebungen des Rundfunkbeitrags finanziert werden, sondern beispielsweise durch einen staatlichen Zukunftsfonds.