Geflüchtete statt Senioren – Berliner Bischof Stäblein nimmt Stellung

Die Bewohnerinnen und Bewohner des evangelischen Seniorenheims am Berliner Schillerpark müssen ausziehen. In dem Gebäude sollen Flüchtlinge unterkommen. Der Berliner Bischof Stäblein nimmt Stellung.

Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische OberlausitzImago / epd-bild

Herr Bischof Stäblein, wie beurteilen Sie diese von zwei diakonischen Einrichtungen herbeigeführte Situation in dem evangelischen Seniorenheim „Pflege und Wohnen Schillerpark“ in Berlin-Wedding?
Christian Stäblein: Die Situation empfinde ich als sehr schmerzhaft. Ich sehe die Seniorinnen und Senioren, die sich bei ihrem Einzug auf ein langfristiges Wohnen dort verlassen hatten. Und die noch einmal umziehen müssen. Wir wissen alle, was das im hohen Alter bedeutet. Auch wenn sich die Mitarbeitenden der Johannesstift-Diakonie mit all ihren Kräften bemühen, dass Hilfe und Begleitung bereit stehen, Hilfe für Leib und Seele. Es arbeitet ja niemand in der Diakonie, dem nicht die Menschen als erstes am Herzen liegen. Im Moment bekommen auch diese Mitarbeitenden viel ab, werden beschimpft und sogar bedroht. Die Situation ist voller Schmerz.

Kritiker werfen der Paul-­Gerhardt-Diakonie als Eigen­tümerin des Hauses vor, in der Unterbringung von Geflüchteten, die jetzt dort einziehen, ein besseres Geschäftsmodell zu sehen. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Dass Geflüchtete ein gutes ­Geschäftsmodell sind, halte ich für abwegig und zynisch. Ich meine, wir sollten das in jedem Fall trennen: Die Schließung eines Seniorenstiftes, wenn ältere Menschen ausziehen müssen – erst recht, wenn es vor der Zeit ist –, ist schwer belastend. Sie zerstört Vertrauen an ­einem elementaren Punkt unseres Menschseins und auch unseres Glaubens: für Menschen im Alter ­sicher da sein. Das ist ja die Bedeutung des vierten Gebots: Du sollst Vater und Mutter ehren. Übertragen heißt das: Wir haben die unbedingte Pflicht, für die Alten in unserer Gesellschaft gut zu sorgen. Wie schwer das heute geworden ist mit Fach­kräftemangel und Pflegenotstand, wissen wir. Die Diakonie ist hier ein wichtiger Pfeiler in der Gesellschaft, Vertrauen ihr Wesenskern.

„Wir bitten um Entschuldigung“

Zugleich und ganz unabhängig davon gilt: Wir sind da für Menschen, die zu uns aus Krieg und Not fliehen. Niemand sollte die Not von Menschen gegeneinander ausspielen. Wenn wir als Gesellschaft nicht in der Lage sind, für die Menschen in verschiedenen Nöten da zu sein, ist das ein Armutszeugnis für uns alle. Aber ich erlebe es tatsächlich meist anders: ein hohes Engagement in der Pflege. Und zugleich hohes Engagement in der Flüchtlingsarbeit.

Auf welche Weise hätte die entstandene Situation Ihrer Meinung nach vermieden werden können?
Das kann ich nicht sagen, das wäre von außen allzu leicht. Alle Beteiligten werden das aufarbeiten, da bin ich mir sicher. Es geht ja um Vertrauen. Die Menschen in der Diakonie haben das verdient. Wir sind aufeinander angewiesen und besonders die Älteren vertrauen auf uns. Wo Vertrauen ­erschüttert ­wurde, bitten wir als erstes um Entschuldigung. Ich denke, das ist dran.