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Gedenkstättenchef: Kirchen sollten für Judenhass sensibilisieren

Die “böse Fratze” des deutschen Antisemitismus – Jens-Christian Wagner hätte nicht für möglich gehalten, dass sie sich heute wieder so zeigt. Bischof Neymeyr empfiehlt, aktuelles jüdisches Leben bei uns mehr wahrzunehmen.

Aufklärung über Judenhass ist nach Ansicht des Buchenwald-Gedenkstätten-Chefs Jens-Christian Wagner auch Aufgabe der Kirchen. “Sie sind aufgefordert, Bildung über historischen kirchlichen Antisemitismus und Antijudaismus zu vermitteln, um damit für heutigen Antisemitismus zu sensibilisieren”, sagte er am Donnerstag auf dem Katholikentag in Erfurt. Ausdrücklich dankte er den Kirchen, dass sie sich in der gegenwärtigen Situation so klar gegen Antisemitismus positionierten und auch dienstrechtliche Konsequenzen zögen.

Die “böse Fratze” des deutschen Antisemitismus zeige sich inzwischen wieder in solch einer Weise, wie er es vor drei, vier Jahren nicht für möglich gehalten habe, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. “Wir alle müssen Geschichtsbewusstsein ganz oben auf die Agenda setzen.” Wichtig sei auch, antisemitische Chiffren zu kennen, etwa wenn heutzutage wieder von Brunnenvergiftern, Kindermördern oder Ritualmord gesprochen werde. Mitunter kämen diese Chiffren auch in sprachlich modernerem Gewand daher: “Mit ‘globalistischen Eliten’ sind nichts anderes als Juden gemeint”, so der Historiker.

Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr ergänzte: “Es ist auch wichtig, aktuelles jüdisches Leben in Deutschland zu kennen. Gehen Sie doch mal an einem Freitagabend zu einer Sabbat-Eröffnung.” Viele Menschen in Deutschland würden gar keine Juden persönlich kennen. “Wenn Juden hier sagen, dass sie sich in Deutschland nicht mehr sicher und zuhause fühlen, dann muss uns das erschrecken”, mahnte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die religiösen Beziehungen zum Judentum.

Als eine der größten Herausforderungen für die Kirchen bezeichnete Neymeyr die historischen antijüdischen Schmähdarstellungen an vielen christlichen Gotteshäusern. Aus verschiedenen Gründen halte er es nicht für sinnvoll, die Darstellungen zu verhüllen oder abzuschleifen: “So einfach kann man sich nicht von seiner Geschichte verabschieden.” Ein guter Weg der Aufklärung und Auseinandersetzung damit könne etwa über künstlerische Gegendarstellungen gefunden werden.