Gedanken zum Osterfest

Not und Leid sind nicht verschwunden, aber der Tod ist besiegt. Leben wir in einer Oster-Hoffnung oder in der Oster-Gewissheit?

Drei Frauen am Grab, wie sie der Künstler Sapan Patel sieht. Schmerz weicht der Freude über die Auferstehung
Drei Frauen am Grab, wie sie der Künstler Sapan Patel sieht. Schmerz weicht der Freude über die AuferstehungSapan Patel

Zu Ostern feiern wir das Glück der Auferstehung. Das Leben steht auf aus erdrückender Erdenschwere und ohnmächtiger Sprachlosigkeit. Das Leben erhebt sich über Fata­lismus und Perspektivlosigkeit. Es schwingt sich über die letzten ­Worte zu neuen Ufern.

Noch ­klingen diese vom Kreuz her nach. Noch sind wir erfüllt vom Schrecken des Geschehenen. Ostern aber ist es, als weckte uns Gott das Ohr auch für erste Worte. Erste Worte, die eine unfassbare Wirklichkeit beschreiben. Christus ist nicht bei den Toten geblieben. Was er sprach und wie er lebte, ist nicht verloren oder vergessen. Seine ­Gegenwart eröffnet Zukunft und begleitet uns. An diesem Morgen wollen wir Frauen die ersten sein, die die ­Osterbotschaft hören. Wir gehen sehr früh hinauf zum Ensemble am Heiligen Grab in Görlitz, an dem wir am Karfreitag Jesu Sterbestunde an der Golgathakapelle begangen haben. Die Finsternis und der Schmerz stecken uns noch in den Knochen. Und dann entdecken wir, dass vor uns offenbar schon andere unterwegs waren.

Worte als neuer Grund unter den Füßen

Überrascht reibe ich mir den Schlaf aus den Augen. Ich lese auf einer Treppenstufe hinauf das erste Wort des Ostersonntags: „Der Herr ist auferstanden.“ Und drei Stufen ­höher, steht da „Halleluja“, zart mit Kreide geschrieben. ­Atmende Schriftzüge in Pastell, schlicht und in jeder Hinsicht erhebend. Und es ist, als könnte man sich mit jedem weiteren Schritt ­hineinstellen in diese Worte. Als würden sie unter den Füßen zum neuen Grund. Als dränge damit eine neue Wirklichkeit in alle Poren ein.

Auf diesen Worten fußend gehen wir, vorbei an den Osterglocken, ­hinauf zum leeren Grab und preisen, jubeln, wollen es fassen und glauben: Der Tod ist besiegt, das ­Leben treibt in neuer Kraft. Jesus Christus ist auferstanden von den Toten. Unerklärlich bleibt doch, wie ein Kastanienbaum die ersten Keime gebiert. Unerklärlich, was da am Werk ist, wenn das Leben neu ans Licht kommt.

Unerklärlich, wenn die Hoffnung ihre Stimme wieder findet und leise erzählen will. Von der Erhebung aus dem Staub wird sie sprechen und vom Klang des Himmels. Von all den Aufständen gegen die ­Gewalt und kranken Selbstbezogenheiten. Vom Gelb und Grün. Und von den Frauen, die so erschrocken dem Leben neu glauben wollen. Von den Wegen nach Emmaus, auf denen der ­Lebendige mitgeht.

Weiter suchen nach Halt

Freilich werden wir dann in den kommenden Tagen auch weiter ­reden wie in den vergangenen, denn Leiden und Not sind ja nicht verschwunden. Wir werden fragen: Ja, was ist es denn nun, Oster-Hoffnung oder Oster-Gewissheit? Wir werden weiter suchen nach Halt und Orientierung und dazu die ­Heilige Schrift aufschlagen. Wir werden uns orientieren an dem, was andere dazu sagen. Werden Paulus wiederbegegnen, dem es ­gewiss ist, dass kein Tod von der Liebe Gottes scheiden kann. Werden das brauchen in den Finster­nissen unseres Lebens und wenn wir Verstorbene der Gnade Gottes ­anempfehlen. Manchmal mag auch Gewissheit so sein, als wäre sie mit pastell­farbener Kreide geschrieben. Dann passt in sie noch all das Offengebliebene und weiter Unerträg­liche ­hinein. Dann passt in die ­Gewissheit die Hoffnung hinein. So wie in die Hoffnung die Gewissheit. Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.

Vielleicht mögen Sie auf Ihrem Osterspaziergang in diesem Jahr die Füße setzen, als gingen sie Schritt für Schritt hinein in diese Osterbotschaft. Welch eine Hoffnung. Welch eine Gewissheit.

9. April, 6 Uhr, Heiliges Grab ­Görlitz, ­Ostermorgen der Frauen am leeren Grab. 

Theresa Rinecker ist Generalsuperintendentin des Sprengels Görlitz.