„Durch!“ schallte es über den Platz vor der Wittenberger Schlosskirche und manch einer der vielen Touristen merkte auf, als eine dreizehnköpfige gut gelaunte Radlergruppe ihr Ziel nach 452 Kilometer erreicht hatte. Peter Bosqui – immer gut erkennbar an der Lutherflagge am Fahrradsattel – hatte über die gesamte Strecke den Schlussmann gemacht und bei den schwierigen Streckenabschnitten wie einigen Bergen oder Straßenüberquerungen der Vorderfrau Friederike Hegemann mit dem Zuruf „Durch!“ das beruhigende Signal „Alle sind zusammen“ gegeben.
Den einfacheren oder den schöneren Weg?
Die wiederum war dann schon damit beschäftigt, den weiteren Tourenverlauf mit Hilfe eines Radnavis und der entsprechenden Karte zu klären. So konnte immer wieder neu überlegt werden, ob der Weg über einen eher ökonomischen oder einen landschaftlich schöneren, aber längeren und eventuell unebenen Streckenabschnitt fortgesetzt wurde.
Ideengeber und Leiter der „Tour de Reform“, einer Radtour vom Künsebecker Gemeindehaus bis zur Wittenberger Schlosskirche, war der Künsebecker Gemeindepfarrer Christian Stephan. Die Teilnehmer, die sich zum größten Teil kaum kannten und teilweise auch aus benachbarten Gemeinden kamen, trafen sich zuvor zu zwei kurzen Übungstouren.
Sehr schnell fanden die mit unterschiedlichsten Fahrradtypen ausgestatteten Radfahrer im Alter von 35 bis 67 Jahren zu einer Gruppe zusammen, fuhren so einen großen Teil der Strecke wie eine bunt behelmte Perlenkette hintereinander weg und blieben trotz der unterschiedlichen Konditionen und Ausrüstungen zusammen.
Immer wieder wurden die Kraftreserven durch aufmunternde Worte des Pastors mobilisiert, so dass jeden Tag im Durchschnitt eine Strecke von 65 Kilometern bewältigt wurde. Kleine Probleme an der Wegstrecke wurden schnell und zuversichtlich gemeistert. Zwei Reifenwechsel, eine neue Kette, zwei Stürze, die glücklicherweise keine bleibenden Auswirkungen hatten, wogen als „Negativbilanz“ nicht schwer.
Die Angebote am Wegesrand, die Friederike Hegemann ausgesucht hatte, wie der Besuch des Bibelgartens in Schöningen oder die Stadtführung in Wolfenbüttel, nutzte zumeist die gesamte Gruppe. Übernachtet wurde in Pensionen, Gästehäusern und Jugendherbergen.
Das Leben im Licht des Glaubens beleuchtet
Wenn auch abends der eine oder die andere über kleinere gesundheitliche Probleme wie Wadenkrämpfe klagte, waren die nach der obligatorischen Magnesiumgabe und einem reichhaltigen gemeinsamen Frühstück am Morgen vergessen und alle stiegen wieder gut gelaunt in den Sattel. Jedoch nicht, ohne zuvor das Gruppenfoto zu schießen, zu dem sich alle zuweilen wie eine Traube positionierten.
Die tägliche Andacht war ein wichtiger Bestandteil der Tour. Immer wieder besannen sich die Teilnehmer auf ihre persönliche Situation und spiegelten sie im Lichte des christlichen Glaubens, vor allem in Bezug auf den reformatorischen Gedanken. Dass Leben Veränderung und Erneuerung bedeutet, spürten alle. Das Radfahren brachte auch so manchen neuen Gedanken „ins Rollen“. Bei fast durchweg radfahrfreundlichem Wetter erreichte die Reisegruppe froh und munter am siebten Tag die Stadt, in der Martin Luther vor 500 Jahren mit der Veröffentlichung von 95 Thesen den Anstoß für die Reformation gab.
Es blieb nur ein wenig Zeit, sich die historischen Stätten und die Weltausstellung zur Reformation anzuschauen, dann ging es schon per Bahn zurück nach Bielefeld, Steinhagen, Werther, Künsebeck. Peter Bosqui als „Radfahr-Profi“ aus Neustadt schwang sich nach einer Übernachtung in Künsebeck gleich am folgenden Tag wieder aufs Rad zum Familienbesuch nach Schwerte. Als Schlussmann wird er als letzter „durch“ sein!
