Artikel teilen:

Geburtenrate sinkt stark – “Kinderwunsch wegen Krisen aufgeschoben”

Paare schieben ihren Kinderwunsch auf, obwohl sie gerne Kinder hätten. Krisen und Unsicherheiten hemmen die Familienplanung. Bevölkerungsforscher sprechen von einem Geburteneinbruch in Deutschland seit 2021.

Die Geburtenrate in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark gesunken – offenbar, weil immer mehr Paare ihren Kinderwunsch aufschieben. Zwischen 2021 und 2024 nahm die Geburtenrate von 1,58 auf 1,35 Kinder pro Frau ab, wie eine am Mittwoch in Wiesbaden veröffentlichte Auswertung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt.

“Der Geburteneinbruch seit 2021 wird mit dem fast gleichzeitigen Auftreten mehrerer Krisen wie Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und steigender Inflation in Zusammenhang gebracht, die junge Menschen verunsichern”, heißt es in der Studie. Grundlage der Untersuchung sind die Geburtenstatistiken sowie repräsentative Befragungen der deutschen Bevölkerung zu Kinderwunsch und Familie.

Laut der Befragung blieb die von Paaren gewünschte Kinderzahl zwischen 2021 und 2024 stabil. Frauen wünschen sich demnach im Schnitt 1,76 und Männer 1,74 Kinder – “also deutlich mehr als aktuell geboren werden”, betonen die Bevölkerungsforscher. Sie sehen in den Zahlen einen Hinweis, “dass geplante Geburten zunächst aufgeschoben werden”. Die Lücke zwischen gewünschter Kinderzahl und Geburtenrate pro Frau liege im Schnitt bei 0,41 Kindern, erklärte Carmen Friedrich, Wissenschaftlerin am Bundesinstitut.

Gleichzeitig ist laut der Expertin die konkrete Absicht, in naher Zukunft ein Kind zu bekommen, spürbar zurückgegangen: Zwischen 2021 und 2024 sei der Anteil der 30- bis 39-Jährigen, die in den nächsten drei Jahren ein Kind planten, bei Frauen von 28 auf 24 Prozent und bei Männern von ebenfalls 28 auf 25 Prozent gesunken.

Im vergangenen Jahr ist die Geburtenrate auf 1,35 Kinder je Frau gesunken. 2024 kamen in Deutschland 677.117 Kinder zur Welt. Dabei war die Geburtenrate der Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit so niedrig wie zuletzt vor 30 Jahren: 1,23 Kinder je Frau.

Die Geburtenziffer von Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit betrug 1,84 Kinder. Auch sie bekommen hierzulande den Angaben zufolge seit 2017 immer weniger Kinder.

“Kinder zu bekommen, bleibt ein zentrales Lebensziel für die meisten jungen Menschen”, sagte Friedrich. Der derzeitige Geburtenrückgang zeige also “keinen Rückgang der Familienorientierung, sondern weist vielmehr auf ein Aufschieben von Geburten hin”.

Einen Faktor für diese Entwicklung vermuten die Studienautoren in einer “subjektiv empfundenen Unsicherheit bei jungen Erwachsenen, die sich aus der Kombination von internationalen Krisen und ungewissen wirtschaftlichen und persönlichen Rahmenbedingungen ergibt”. Die Forscher verweisen auf Pandemie, Ukraine-Krieg und Klimawandel. “Unsicherheit wirkt sich negativ auf die Familienplanung aus”, hieß es.

Studien-Co-Autor Martin Bujard argumentierte, eine verlässliche Kindertagesbetreuung und bezahlbarer Wohnraum könnten jungen Menschen Sicherheit geben. Und dies könne dazu beitragen, “dass vorhandene Kinderwünsche häufiger umgesetzt und nicht dauerhaft aufgeschoben werden”.

Auch der Familienbund der Katholiken forderte zuletzt eine Reform der Unterstützungen für Eltern. Beispielsweise müsse das Elterngeld an die Inflation angepasst werden; auch brauche es mehr Partnermonate bei der Elternzeit.

Mit der aktuellen Geburtenrate liegt Deutschland den Angaben zufolge im Mittelfeld der europäischen Staaten. Zuletzt lag die durchschnittliche Geburtenrate der EU-Länder mit 1,38 Kindern pro Frau auf dem niedrigsten Wert seit Gründung der EU, so das Statistikamt Eurostat. Dies werde “langfristig negative Folgen für viele Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens” haben, hieß es in der Studie.

Die Auswertung der deutschen Forscher beruht auf der familiendemografischen Untersuchung FReDA. Befragt werden dabei zweimal im Jahr repräsentativ ausgewählte Menschen in Deutschland im Alter von 18 bis 52 Jahren – und zwar zu ihrem Leben in Partnerschaft und Familie.