Geburtenrate in Deutschland auf tiefstem Stand seit 2009

Bevölkerungsforscher sehen Pandemie und Krise als mögliche Ursachen für den Rückgang der Geburtenrate in Deutschland. Gesellschaftliche Verunsicherung kann demnach die individuelle Familienplanung beeinflussen.

Die Geburtenrate in Deutschland ist auf den tiefsten Stand seit 2009 gefallen. Im Jahr 2023 betrug sie nach vorläufigen Berechnungen im Durchschnitt der Monate Januar bis November 1,36 Kinder pro Frau. Das geht aus einer neuen Veröffentlichung des Wiesbadener Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und der Universität Stockholm in der internationalen Fachzeitschrift „European Journal of Population“ hervor, wie das BiB am Mittwoch bekannt gab.

Innerhalb der vergangenen beiden Jahre ging die Geburtenrate in Deutschland von 1,57 Kindern pro Frau im Jahr 2021 auf rund 1,36 im Jahr 2023 zurück, wie die Statistiker mitteilten. Dies sei eine ungewöhnlich starke Entwicklung; in der Vergangenheit hätten sich Phasen sinkender Geburtenraten eher langsamer vollzogen. Während der ersten Corona-Phase sei die Geburtenrate in Deutschland noch stabil geblieben, im weiteren Verlauf der Pandemie aber gesunken. Zuletzt sei 2009 ein so niedriges Niveau wie im Jahr 2023 gemessen worden.

Die Autoren der Studie führen das Absinken der Geburtenrate auf verschiedene mögliche Ursachen zurück: Der Einbruch im Januar 2022 könne eine Reaktion auf die Impfkampagne gegen das Coronavirus sein, weil Frauen angesichts der damals für Schwangere nicht zugelassenen Impfstoffe den Kinderwunsch aufgeschoben haben könnten. Den verstärkten Geburtenrückgang ab Herbst 2022 verbinden die Forscher mit weiteren Krisen. „Der Krieg in der Ukraine, die gestiegene Inflation oder auch der fortschreitende Klimawandel haben die Menschen zusätzlich zur Pandemie verunsichert. In einer solchen Zeit multipler Krisen setzen viele ihren Kinderwunsch nicht um“, führte der BiB-Forscher Martin Bujard als Mitverfasser der Studie an.

Inwiefern die neuen Zahlen bereits einen generellen Trend zu sinkenden Geburtenzahlen in Deutschland einleiten oder ob sie nur einen temporären Effekt abbilden, ist derzeit für die Experten noch nicht absehbar. Die Geburtenrate in der Bundesrepublik pendelte nach Angaben der Wiesbadener Behörde ab 1975 für rund vier Jahrzehnte im Bereich zwischen 1,2 bis 1,4 Kindern pro Frau und gehörte lange Zeit zu den niedrigsten in Europa. Von 2015 bis 2021 lag sie dann mit Werten von 1,5 bis 1,6 erkennbar höher.