Gauck: Liberale Demokratie braucht wirkliche Führung

Aus Sicht von Altbundespräsident Joachim Gauck ist die deutsche Demokratie in Gefahr. Er warnt vor einer wachsenden Kluft in der Gesellschaft.

Ex-Bundespräsident Joachim Gauck  fürchtet, dass die Liberale Demokratie Schaden nehmen könnte
Ex-Bundespräsident Joachim Gauck fürchtet, dass die Liberale Demokratie Schaden nehmen könnteImago / Photothek

Aus Sicht von Altbundespräsident Joachim Gauck sollten Führungswille und entschiedenes Regieren nicht als Widerspruch zu einer liberalen und zunehmend diversen Gesellschaft verstanden werden. „Wir sind verantwortlich für unseren Raum der Möglichkeiten – für ein Leben in Freiheit, Wohlstand und Frieden“, sagte Gauck der Süddeutschen Zeitung und fügt hinzu: „Deshalb braucht auch eine liberale Demokratie wirkliche Führung.“

Gauck sieht durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine das Weltbild vieler Menschen in Deutschland zerstört. „Wir waren verwöhnt, in unserem politischen Raum gab es keine Bedrohung dieser Qualität“, sagte der 83-Jährige. „Die Wirklichkeit ist so verstörend, dass Wunschdenken die Wahrnehmung überlagert. Viele wollten nicht wahrnehmen, dass aus einem Gesprächspartner ein Gegner und ein Feind wurde“, führte Gauck über den russischen Präsidenten Wladimir Putin aus.

Kitschiges Bild der russischen Seele

Das „kitschige Bild der russischen Seele“ müsse gründlich infrage gestellt werden. „Putin zeigt alle Merkmale eines KGB-Offiziers, der absolute Loyalität der Macht gegenüber verlangt. Die Herrschaftstechniken, gelernt in der Sowjetunion, übersteigen unsere Vorstellungskraft: Absolutsetzung der Macht, keine Menschen- und Bürgerrechte, keine Herrschaft des Rechts, keine freien Medien, keine freien Gewerkschaften, die Zivilgesellschaft eliminiert“, sagte der aus Ostdeutschland stammende Gauck.

Freiheit verteidigen

Die Waffenlieferungen an die Ukraine betrachtet der evangelische Theologe als notwendig: „Wir müssen unsere Freiheit verteidigen. Wir wollen nicht in den Krieg ziehen, aber wir wollen auch nicht mit Krieg überzogen werden.“ Allerdings könnte aus Gaucks Sicht die Zustimmung zur Unterstützung des Landes in Deutschland sinken, die Gründe dafür sollten aus seine Sicht stärker kommuniziert werden.