Gabi spielt leidenschaftlich Videospiele. Ihre Erfahrungen überträgt die 74-Jährige in Livestreams. Ein Leben ohne Gaming ist für Gabi kaum noch vorstellbar – das hat auch mit ihren Krankheiten zu tun.
Gabi spielt zurzeit vier Videospiele: “Assassin’s Creed”, “Alan Wake”, “Resident Evil” und “Star Wars Outlaws”. “Ich sollte mir angewöhnen, ein Spiel zu Ende zu bringen, aber mein Sohn überhäuft mich mit Spielegeschenken in letzter Zeit, und ich will die dann immer alle sofort spielen”, sagt die 74-Jährige im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ungefähr drei bis vier Stunden am Tag verbringt die Rentnerin an der Konsole.
Angefangen hat Gabi nach einer Diagnose vor sieben Jahren – chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Ihre Lunge ist dauerhaft geschädigt, die Bronchien verengt. Ständig begleitet sie diese Angst: “Krieg ich genug Sauerstoff? Denn die Luft bleibt ja weg”.
Ihr Sohn will sie ablenken und geht mit ihr ins Kino, in einen “Star Wars”-Film. Gabi ist begeistert. Sie sucht nach einem entsprechenden Spiel. Kurz darauf schenkt ihr Sohn ihr ihre erste Playstation zusammen mit dem Spiel “Star Wars: Battlefront”. “Das Gefühl, das erste Mal einen Controller in der Hand zu halten, war besonders”, erinnert sich Gabi. Endlich nicht mehr zu grübeln und aus der Angst und deprimierten Stimmung herauszukommen, sei befreiend gewesen.
Zuerst habe sie mit ihrem Sohn sogenannte Shooter gespielt, also Ballerspiele, die ganze Nacht hindurch, erzählt die Seniorin. Er habe bei sich zu Hause gezockt und Gabi in ihrer Wohnung; per Headset habe er Hinweise zum Spiel gegeben und Gabi auf die Angaben zur Steuerung aufmerksam gemacht, die auf dem Bildschirm angezeigt wurden.
Die Rentnerin glaubt nicht, dass Ballerspiele Gewalt auslösen. Aber besonders interessant fand sie die Games auch nicht. “Shooter haben mich irgendwann gelangweilt – was bringt mir das? Nichts, unterm Strich”, sagt sie. Gabi faszinieren vielmehr Spiele mit einer Story. Diese erlebe sie wie einen Film, mit Handlung, einer Entwicklung der Geschichte und Herausforderungen – insbesondere durch ihre altersbedingten Einschränkungen.
Gabi trägt eine Schielbrille, und ihre Hände sind in Orthesen eingepackt. “Durch die Arthrose habe ich Schmerzen”, sagt sie. Beim Spielen sei all das weg. Außer vielleicht bei einem sehr schweren Kampf, wenn die Daumen immer in Bewegung sind. Dann höre sie auf und mache beispielsweise am nächsten Tag weiter. Um so schöner sei es gerade als älterer Mensch, das Spielende zu erreichen: “Das ist ein tolles Gefühl, wenn der Abspann runterläuft”, schwärmt Gabi. Dann wisse sie, dass sie trotz vieler Widrigkeiten gewonnen habe.
Die 74-Jährige findet nicht, dass die Hürden bei Videospielen für Senioren zu hoch seien – alles Übungssache. “Gaming schüttelt im Kopf und hält fit”, sagt Gabi. Ein technisches Interesse sollte aber vorhanden sein – oder, wie sie sagt, ein Interesse an Dingen, die anders seien. Sie selbst gebe nur selten auf: “Ich wurschtel mich durch.”
Als Einstieg könnten Unerfahrene beispielsweise erstmal einen Gartensimulator ausprobieren: Bäume pflanzen und Obst ernten, überlegt Gabi. Oder andere ruhige Games wie Entscheidungsspiele testen – also selbst bestimmen, wie eine Geschichte verlaufe. “Probiert es zuerst mit Enkeln oder Kindern aus”, rät Gabi. Die Anschaffung der Geräte sei nicht günstig.
“Ich würde für Ältere eher zur Konsole raten”, empfiehlt Gabi, die selbst an Playstation 4, Playstation 5 und seit Weihnachten auch an der Xbox zockt. Sie setzt beim Spielen ausschließlich auf Konsolen – Computer verbindet die ehemalige Buchhalterin mit der Arbeit. Wer am Computer spiele, müsse außerdem dazu in der Lage sein, fortwährend Tastatur und Maus im Blick zu haben und beides gleichzeitig bedienen zu können.
Gabi begrüßt Neuerungen: Der Controller der neuen Xbox sei mal wieder eine Umstellung, die ihr Gehirn fit halte. Sie probiert immer wieder Neues aus – zuletzt auch eine Virtual-Reality-Brille, von der sie begeistert war. “Wenn ich ein VR-Spiel anschalte, bin ich in einer ganz anderen Welt, nicht mehr in meiner Wohnung”, beschreibt sie. Durch ihre Augenproblematik war das Spielen mit der VR-Brille dann leider doch zu schwierig. Sie habe das Gerät daher an ihren Sohn weitergegeben.
“Ich mache das alles, weil ich nicht abhängig sein will, und dafür muss ich für meine körperliche und geistige Fitness sorgen”, erklärt die Seniorin. Zur körperlichen Fitness trage ein Rudergerät bei, das sie jeden Morgen eine Stunde nutze.
Ihre Wohnung zu verlassen, fällt Gabi nämlich schwer: Sie habe eine Panikstörung. Durch ihren eigenen YouTube-Kanal vereinsame sie jedoch nicht: Im Livestream kann sie als “Einfach_Gabi” mit dem Publikum interagieren. Sie hat schon einige soziale Kontakte über das Gaming geknüpft, telefoniert und sich in seltenen Fällen mit Berlinern getroffen. Dies sei für sie recht wichtig; ansonsten habe sie nur ihren Sohn, der als Erwachsener sein eigenes Leben führe. “In einer depressiven Phase kann ich das Telefon in die Hand nehmen und jemanden anrufen”, erklärt Gabi. Ihr sei es wichtig, mit Menschen reden zu können.
Neben dem sozialen Aspekt ist ihr YouTube-Kanal für Gabi auch ein Vermächtnis an ihren Sohn: “Wenn ich mal tot bin, dann kann er immer mal auf meinen Kanal gehen und sich Videos ansehen”, sagt sie. Umso mehr ärgert es sie, dass die Online-Plattform “Twitch”, über die sie ihre Spiele streamt, ihre Aufnahmen nach zwei Wochen löscht. Dafür suche sie noch nach einer Lösung – und ist zuversichtlich, dass sie diese finden wird.