Galerie im Automatenschacht

Dreimal im Jahr ist Schachtwechsel: Dann füllt ein Nürnberger Künstlerpaar Werke seiner Kollegen in einen ehemaligen Zigarettenautomaten in der Altstadt. Diese «Klein-Kunst» hat längst ihre Sammler gefunden, deutschlandweit.

Nürnberg (epd). Das hatte sich das Nürnberger Künstlerpaar Anna Bien und Winfried Baumann anders vorgestellt: Normalerweise ist das Befüllen des «Kunstautomat Sterngasse» in Nürnberg ein Event. Künstler und Sammler treffen sich dann vor dem Automaten. Doch Corona macht alles anders: Erstmals findet die Befüllung, der sogenannte Schachtwechsel, ohne Publikum statt. Und das ausgerechnet im Jubiläumsjahr.

   Vor zehn Jahren wurde der ausgediente Zigarettenautomat vor den Ateliers von Bien und Baumann erstmals befüllt. Für fünf Euro kann man zwischen zehn Künstlern auswählen und erhält ein Objekt im Zigarettenschachtelformat. Diesmal gibt es unter anderem das Klangobjekt «Gschrei» von Roland Nörpel, ein handkoloriertes Dyptichon von Lore Barthel oder ein Holzobjekt von Richard Büning. Bien ist mit einem Bildtäfelchen in Mischtechnik dabei, Baumann mit einem Objekt aus Zinn und Finnpappe.

   Dreimal im Jahr kommt eine neue Staffel. Bien und Baumann sprechen für die Füllung nicht nur befreundete Künstler an, sondern auch Musiker, Architekten, Grafiker oder Fotografen. Es sei schwer, in dem kleinen Format zu arbeiten, dafür sei «immer interessant, was herauskommt», sagt Bien.

   Die Idee hinter dem Nürnberger Kunstautomaten ist «Kunst für alle» zum kleinen Preis, sagt Baumann. «Eigentlich war es schon immer Corona-kompatible 'Kunst to go'», ergänzt Bien. Mittlerweile rufen Leute aus dem ganzen Bundesgebiet an, um nach dem Termin für den nächsten Schachtwechsel zu fragen. Manchmal ist bereits nach zwei Tagen der Kunstautomat komplett ausverkauft.

   Baumann schätzt an diesem Projekt vor allem das «Potenzial der Kunst». Ohne Schwellenangst vor Galerien oder Museen können man sich «barrierefrei» mit der Kunst im Miniformat auseinandersetzen. Hinzu komme das Networking mit Künstlern, Kunstinteressierten und Käufern – abgesehen natürlich vom Veranstaltungsverbot in Pandemiezeiten.

   Bislang haben sich Künstler aus dem ganzen Bundesgebiet – aber auch schon aus China und Südkorea – an dem Kunstautomat Sterngasse beteiligt. Für jede Staffel reichen die beteiligten Kunstschaffenden ihre Arbeiten in einer Auflage von 24 Stück bis maximal 48 Stück ein. Manchmal liefern Künstler auch unterschiedliche Werke für die Automatenpäckchen. Mit den bisher 33 Staffeln sind 330 Kunstwerke zusammengekommen. Die wollte das Künstlerduo, beides Meisterschüler an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, eigentlich in einer eigenen Ausstellung als Gesamtschau im Juli zeigen. Nun steht die Schau im nächsten Jahr auf dem Plan – ohne Corona-Einschränkungen.