Fundraising-Pionier Gunnar Urbach geht in Ruhestand

Er war der erste Fundraiser, lange bevor der Begriff existierte. Jetzt geht Gunnar Urbach in Ruhestand – und kehrt postwendend zurück.

Gunnar Urbach präsentiert seine Job-App
Gunnar Urbach präsentiert seine Job-AppTimo Teggatz

"Langeweile" ist ein Zustand, den Pastor Gunnar Urbach (65) in fast 40 Dienstjahren niemals kennenlernte. Wenn das intensive Gemeindeleben ihm Zeit ließ, engagierte er sich in der Freiwilligen Feuerwehr oder bei der Notfallseelsorge. Er absolvierte Zusatzausbildungen in der Kinder-, Erwachsenen- und Öffentlichkeitsarbeit, wurde Kommunikationswirt und Fundraiser. Jetzt geht der evangelische Theologe in den Ruhestand. Doch Langeweile wird wieder nicht aufkommen: Weil für ihn derzeit kein Nachfolger in Sicht ist, übernimmt er für die nächsten zwei bis drei Jahre die Vertretung – für sich selbst.
Ganze 33 Jahre lang war Urbach Pastor in der Falkenbergkirche in Norderstedt. Hier zündete er ein wahres Feuerwerk von Initiativen, die ihn weit über den sprichwörtlich "eigenen Kirchturm" hinaus bekannt machten. 1989 erfand er nach biblischem Vorbild die "Wucher-Aktion" und verteilte Zehn-Mark-Scheine an seine Gemeinde – auf dass sie sich vermehrten für die Sanierung des Kirchturms. 1991 rief er unter beträchtlichem Medien-Echo die "Krabbelgottesdienste" für Babys und Kleinkinder ins Leben und feierte "Blaulicht-Andachten". 1995 folgte der Eintrag ins "Guiness-Buch der Rekorde" mit dem "Fest der 1.000 Sonnenblumen" aus dem September 1993.

Gottesdienst mit Peter Maffay

"Wenn die Menschen nicht zu einem kommen, muss man zu ihnen gehen", sagt Urbach. "Oder ihnen etwas bieten, dass sie eben doch kommen." Im August 1996 war der Rocksänger Peter Maffay in der Falkenbergkirche – Eingeweihte wussten es rechtzeitig genug und fast 350 Gottesdienstbesucher erlebten, wie Maffay mit ihrem Pastor über die religiöse Dimension in seinen Liedern sprach.
Zur Jahrtausendwende brauchte die Gemeinde neue Stühle und Tische für ihr Zentrum. "In der Falkenbergkirche können Sie auf Ihrem Geld sitzen", lautete der Slogan. Und die erforderlichen rund 30.000 D-Mark kamen zusammen. Urbach war Fundraising-Experte, lange bevor der Begriff erfunden wurde. "Fundraising heißt: Schätze heben", sagt Urbach. Und Schätze begeistern, stecken an, ermuntern zum Mitmachen. Bischöfin Kirsten Fehrs nannte den Theologen zum Abschied "einen Pastor mit Leib und Seele", dazu "unermüdlich ideenreich und kreativ".
Denn Fundraiser gehen nicht mit der Dose herum und sammeln Geld. Sondern sie haben zündende Ideen und wecken Emotionen, Motivationen. Zur Landesgartenschau in Norderstedt 2011 wollte Urbach Europas erste "gläserne Kirche" errichten. Doch dieser Traum zerschlug sich – es wurde nur ein Kuppelbau aus Alu-Rohren mit transparenten Planen. Dennoch war dieses "Himmelszelt" eine der Hauptattraktionen des Ausstellungsgeländes. Wie wichtig ihm selber Kirchbauten sind, hatte Urbach im November 2000 demonstriert: Über Nacht "verschwanden" Norderstedts Kirchtürme, eingepackt in eigens gefertigte Stoffhüllen. Die Aktion sollte zeigen, wie sehr Kirchen zum öffentlichen Stadtbild gehören.

"Schatzsucher" für den ganzen Kirchenkreis

2012 wurde Urbach offiziell "Schatzsucher" für den gesamten Kirchenkreis. Seitdem berät er Gemeinden und andere kirchliche Einrichtungen und begleitet ihre Fundraisingaktionen. Von 2013 bis 2015 unterstützte er erfolgreich den Neubau des Frauenhauses in Norderstedt – im Juni 2016 wurde es eingeweiht. Parallel entwickelte er eine Job-App, mit der Flüchtlinge Praktikumsplätze finden können, die in Job-Centern nicht vermittelt werden. Dafür gewann er 10.000 Euro bei einem Ideen-Wettbewerb von Google.
Wenn Urbach mal abschalten will, geht er gerne spazieren oder schwimmen. Auch Radtouren unternimmt er gerne – "den Kopf freistrampeln", nennt er das. Doch ein Leben ohne Kirche kann er sich nicht vorstellen – er selbst ist ihr immer treu geblieben, seit er als Sechsjähriger den Kindergottesdienst besuchte. "Ich hoffe, dass Kirche immer nahe an den Menschen bleibt, mit all ihren Hoffnungen und ihren Ängsten." (epd)