Fürs Video wird der Kirchen-Keller zum Waschsalon

Mit seinem Song „I don’t feel hate“ startet der 26-Jährige am Sonnabend beim Eurovision Song Contest. Für das Video zum Lied funktionierte er den Keller der St. Gabriel-Kirche in Hamburg-Volksdorf kurzerhand um.

Blick zum Himmel: Jendrik Sigwart vor der St. Gabriel-Kirche in Hamburg-Volksdorf
Blick zum Himmel: Jendrik Sigwart vor der St. Gabriel-Kirche in Hamburg-VolksdorfPhilipp Reiss / epd

Hamburg/Rotterdam. Dass Jendrik Sigwart die Bühne liebt, ist schnell klar. In der Frühlingssonne strahlen der deutsche Kandidat für den Eurovision Song Contest (ESC) und seine mit rund 8.000 Straßsteinen verzierte Ukulele um die Wette. Im Hintergrund steht die evangelische St. Gabriel-Kirche in Hamburg-Volksdorf. Ein schlichtes Gebäude, das sich als ESC-Bühne wohl kaum eignet. Oder doch? Für Sigwarts Bewerbung bei dem internationalen Musikwettbewerb spielte sie nämlich eine zentrale Rolle. Für das Video zu seinem Song „I don’t feel hate“ verwandelte der 26-Jährige den Keller der Kirche in einen bunten Waschsalon.

Dass der gelernte Musical-Darsteller seine Kirchengemeinde um Dreherlaubnis bat, sei in erster Linie seinem knappen Budget geschuldet gewesen. Der Drehort passt aber zur christlichen Botschaft, die der Hamburger mit dem ESC-Song vermitteln will: „Reagiere auf Hass nicht mit Hass, sondern mit Respekt.“ Das sei im ersten Moment zwar schwer. „Aber letztlich macht der Hass doch nur mir ein schlechtes Gefühl und nicht dem anderen.“

„Krautsalat auf dem Kopf“

Shitstorms zu seiner Person begegnet Sigwart deshalb gelassen. „Ich wusste vorher, dass mein Song polarisiert. Er ist eben nicht cool.“ Besonders die deutschen Fans seien kritisch. „Der fährt mit Krautsalat auf dem Kopf zum ESC“, habe es in Anspielung auf seine Frisur schon geheißen. „Null Punkte“ sind als Kommentar auf sein Video auch beliebt. Manche Kritik sei aber auch kreativ. Einer verglich sein Musikvideo mit einem Werbespot für Fußnagelpilzcreme. Das fand Sigwart so lustig, dass er aus den zehn besten Hasskommentaren ein kurzes Video für die sozialen Internetplattformen schnitt.

„Wash your worries away“ („Wasch deine Sorgen weg“) steht in roten Lettern auf der Fensterscheibe des ehemaligen Jugendkellers der St. Gabriel-Kirche. Sie sind ein Überbleibsel von Sigwarts Low-Budget-Musikvideo, das ihn immer noch 10.000 Euro gekostet hat. Licht und Kameramann waren teuer, vor allem aber die Luftabsauger für die Farbkanonen, die in dem Clip aus 12 der 18 Waschmaschinen rausgefeuert werden. Die hatte Sigwart sich für den Dreh im Sommer 2020 über ebay-Kleinanzeigen besorgt. Inzwischen hat ein Freund sich die schweren Geräte abgeholt. Der hatte gerade ein Musical geschrieben, das in einem Waschsalon spielt. Göttliche Fügung nennt man das wohl.

Mit dem Glauben an Gott sei das so eine Sache. „Ich glaube, da bin ich Agnostiker.“ An Jesus und die Moralien des Neuen Testaments glaube er schon. „Die goldene Regel ‚Behandle andere so, wie auch du behandelt werden willst‘ ist die wichtigste überhaupt“, sagt Sigwart, der sich seit einigen Jahren ehrenamtlich bei der Kirchengemeinde engagiert. Als Teamer begleitet er Konfirmandenfreizeiten und spielt bei Benefizkonzerten mit.

Immer noch an der Playstation

Jendrik Sigwart redet schnell, singt noch schneller und hat ein Faible für bunte Hemden. Seine Füße wippen auch, wenn er nicht auf der Ukulele spielt. „Ja, ich bin ein hibbeliger Mensch. Aber ich kann mich auch gut fokussieren.“ Seine Kraftquelle seien seine Freunde. „Ich bin krass extrovertiert und brauche Gesellschaft.“ In der Corona-Zeit sei es deshalb gut gewesen, dass sein bester Freund gleich in der Wohnung nebenan wohnt.

Auf der ESC-Bühne zu stehen, war immer sein großer Traum. Das Corona-Jahr nutzte er für seine Bewerbung. „Beim ESC kannst du alles sein, was du willst. Je verrückter, desto besser.“ Stressig sei die Zeit vor Rotterdam aber bestimmt auch? „Nö“, sagt Sigwart und lacht. „Alle denken, ich sei gerade so busy. Dabei spiele ich genauso viel Playstation wie vorher.“ (epd)