Die militärische Gewalt als israelisches Mittel in Nahost ist nach Worten von Jeremy Issacharoff an ihre Grenze gekommen. Jetzt brauche es eine Strategie und kreatives Denken, um den Nahostkonflikt zu lösen.
Der seit 16 Monaten andauernde Krieg in Nahost hat nach Einschätzung des früheren israelischen Botschafters in Berlin, Jeremy Issacharoff, die strategische Position Israels in der Region verbessert und Feinde wie die Hamas oder die Hisbollah erheblich geschwächt. “Jetzt ist die Zeit für kreatives Denken. Wir brauchen einen politischen Horizont, der sowohl Israelis als auch Palästinensern zugutekommt”, schreibt der Diplomat in einem Beitrag in der Zeitung “Haaretz” zum 500. Tag seit Kriegsbeginn am Montag. Er sprach sich nachdrücklich für eine Zwei-Staaten-Lösung aus.
Es sei nun “von entscheidender Bedeutung”, dass Israel eine umfassende Strategie verabschiede, um dem, was es in dem Konflikt bislang erreicht habe, Rechnung zu tragen. Das Land sei an einem Punkt angelangt, in dem weitere militärische Gewalt jede Chance auf eine politische Einigung mit den Palästinensern gefährde. Auch für die Schaffung einer breiten regionalen Allianz gegen die nukleare Bedrohung durch den Iran wäre ein “endloser Krieg” kontraproduktiv.
Der frühere stellvertretende Generaldirektor des israelischen Außenministeriums warf Israel vor, sich vor dem 7. Oktober auf ein Konfliktmanagement beschränkt zu haben, statt eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts voranzutreiben. Damit habe das Land die Hamas gestärkt. Dieser Ansatz habe auch zum Tod von 1.835 israelischen Bürgern und Soldaten, zu massiver Zerstörung von Orten in Grenznähe, zur Vertreibung von Zehntausenden Israelis und zu einem nationalen Trauma geführt. Issacharoff verlangte eine umfassende Aufarbeitung durch eine staatliche Untersuchungskommission.
Der Diplomat warnte vor der Illusion eines “absoluten Siegs”. Das Leiden der Palästinenser und die Fortsetzung einer unterdrückerischen Besatzung werde Israel keine Sicherheit bringen. Stattdessen sei eine Zwei-Staaten-Lösung strategisch notwendig, entscheidend für eine Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien sowie eine Stärkung für bestehende Friedensabkommen mit arabischen Nachbarn. Eine solche Lösung sei, wenn sie in eine neue regionale Infrastruktur sowie ein regionales Sicherheitsnetzwerk eingebettet werde, weniger eine Bedrohung für Israel oder ein Zugeständnis an die Palästinenser als “vielmehr ein Gefallen an uns selbst”.