Frühe Konzentrationslager: Gedenkstätte für die ersten Opfer der Nazis

Sofort nach der Machtübernahme sperrten die Nationalsozialisten ihre Gegner weg. Eine Ausstellung in Neustadt an der Weinstraße erinnert an die frühen Konzentrationslager und den Weg in den Terror.

Nur wenige Wochen von März bis April 1933 bestand das Konzentrationslager in der ehemaligen Turenne-Kaserne in Neustadt
Nur wenige Wochen von März bis April 1933 bestand das Konzentrationslager in der ehemaligen Turenne-Kaserne in NeustadtGedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt

Die Nazis warteten nicht lange ab. Kurz nach der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 31. Januar 1933, begannen sie, ihre Gegner einzusperren. Auch der SPD-Stadtrat Ludwig Manderschied aus Neustadt an der Weinstraße wurde von den Nazi-Schergen festgenommen. Als „Volksverräter“ warfen sie den Lokalpolitiker am 10. März 1933 in das Konzentrationslager in der ehemaligen französischen Turenne-Kaserne.

Das vor 90 Jahren schnell eingerichtete Gefängnis war eines von rund 100 sogenannten frühen Konzentrationslagern. Eine bundesweite Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft „Gedenkstätten an Orten früher Konzentrationslager“ mit dem Titel „Auftakt des Terrors“ erinnert nun an die Lager, die erst seit einigen Jahren in den Blick von Historikern und einer interessierten Öffentlichkeit geraten sind.

Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden

Auch in Neustadt am Ort des frühen Konzentrationslagers, das seit zehn Jahren eine Gedenkstätte ist, ist sie von 1. bis 31. März zu sehen. Ein weiterer Ausstellungsort in Rheinland-Pfalz ist die Gedenkstätte KZ Osthofen, in Hessen wird sie in der Gedenkstätte Breitenau in Guxhagen bei Kassel gezeigt.

„An den frühen Konzentrationslagern lässt sich der Weg des nationalsozialistischen Terrors zu den späteren Vernichtungslagern zeigen“, sagt Kurt Werner, Vorsitzender des Fördervereins der Neustadter Gedenkstätte. Nicht nur Vertreter demokratischer Parteien, vor allem Sozialdemokraten oder Kommunisten, sondern auch Juden und andere den Nationalsozialisten verhasste Minderheiten seien von Beginn des NS-Regimes an verfolgt, verhaftet, eingesperrt, misshandelt und auch getötet worden, ergänzt die Historikerin Anja-Maria Bassimir, die stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins ist.

90 Jahre später zeigt die Gedenkstätte in der ehemaligen Kaserne in Neustadt eine Ausstellung über frühe Konzentrationslager
90 Jahre später zeigt die Gedenkstätte in der ehemaligen Kaserne in Neustadt eine Ausstellung über frühe KonzentrationslagerGedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt

Mit der „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 verschafften sich die Nationalsozialisten das nötige Mittel, um die Grundrechte außer Kraft zu setzen und diktatorisch zu regieren, sagt Bassimir. Hitler und seine Gefolgsleute nutzten den Vorfall, um sich missliebiger Menschen zu entledigen. Als „frühe Konzentrationslager“ dienten ihnen etwa Gefängnisse, Fabrikhallen wie in Osthofen, alte Kasernen wie in Neustadt, aber auch Scheunen.

In der Neustadter Gedenkstätte erinnert eine Wandtafel an den jüdischen Weinhändler David Dornberger aus Bad Dürkheim. In der Pfalz gab es mehrere Weinhändler und Weingutbesitzer jüdischen Glaubens, erzählt Werner. Die Nazis enteigneten sie alle: Dornberger gelang 1940 die Flucht in die USA. Viele andere Juden aus der Pfalz, Saarpfalz und aus Baden wurden 1940 in das Konzentrationslager Gurs in Südwestfrankreich und später in die Todeslager im Osten deportiert.

Wie Terror im Kleinen anfängt

Gleich am ersten Tag der Eröffnung des Konzentrationslagers in Neustadt waren 32 politische Gegner von SS- und SA-Leuten in „Schutzhaft“ genommen worden. Eine Woche später zählte das Lager bereits 275 Häftlinge aus allen Teilen der Pfalz, darunter auch Gewerkschaftler und Mitglieder der Naturfreunde. Im April 1933 wurde das Neustadter Lager aufgelöst und die Insassen in umliegende Gefängnisse gebracht. 500 männliche Häftlinge aus mehr als 80 pfälzischen Städten und Gemeinden waren dort insgesamt inhaftiert.

Für Gedenkstätten sei es eine große Herausforderung, die Erinnerung an die NS-Opfer in die nächste Generation zu tragen, sagt Historikerin Bassimir. Dazu seien neue pädagogische Konzepte auch zur Menschenrechts- und Demokratiebildung etwa für Schulklassen nötig, an denen die Neustadter Gedenkstätte auch in Kooperation mit den Kirchen arbeite. Viele junge Menschen interessierten sich dafür, was in der Zeit ihrer Großeltern oder Urgroßeltern passierte, sagt Bassimir. Wer erfahre, wie Hass, Ausgrenzung und „Nachbarschaftsverrat“ im Alltag funktionierten, der erkenne, „wie schnell Terror im Kleinen anfängt“, sagt Bassimir.