Friedhöfe im Norden erfinden sich neu

Auch letzte Ruhestätten stehen nicht außer Konkurrenz. So müssen sich Friedhöfe immer mehr einfallen lassen, um sich zu behaupten – von der Gestaltung der Gräber bis zur Bushaltestelle.

Garten der Weisheit heißt das neue Grabfeld für 60 Urnen auf einem Kieler Friedhof, das Leiter Carsten Steffens mit Auszubildenden eingerichtet hat
Garten der Weisheit heißt das neue Grabfeld für 60 Urnen auf einem Kieler Friedhof, das Leiter Carsten Steffens mit Auszubildenden eingerichtet hatKarina Dreyer

Kiel. Die meisten Norddeutschen entscheiden sich für eine Feuerbestattung. Zudem möchten immer weniger Menschen Gräber pflegen und sehen ihre Urne lieber in der Natur begraben. „Das alles hat Auswirkungen auf das Angebot und den Wettbewerb der Friedhöfe“, erklärt Carsten Steffens, einer der Friedhofsleiter der Stadt Kiel.
Friedwälder boomen, auch Seebestattungen zeigen sich als Konkurrenz: Die Friedhöfe müssen sich etwas einfallen lassen, um als letzte Ruhestätte attraktiv zu bleiben. „Seit den 1980er Jahren gibt es Gräber ohne Pflegeverpflichtung“, erklärt Steffens. Denn viele wollen ihre Asche anonym unterm Rasen begraben lassen.
„Doch es gibt Studien, die hinterfragten, was die Anonymität mit den Angehörigen macht“, so Steffens. Mit dem Resultat: Die Trauer braucht einen Ort. „Allein wenn man den Namen des Verstorbenen liest, gibt das einen Impuls“, weiß er. Oder wenn es nur ein Mini-, Reihen- oder Gemeinschaftsgrab sei, das man schön herrichtet: Blümchen hinlegen, Figuren aufstellen oder etwas gärtnern, das alles habe einen therapeutischen Wert. Für Jörg Hantelmann, ebenfalls Friedhofsleiter in Kiel, geht mit der anonymen Bestattung in Friedwäldern eine Kultur verloren: „Durch die Grabstätte sind wir einem Verstorbenen nahe“, betont er. Aus Erfahrung weiß er, dass der Wunsch nach einem Trauerort, wenn auch sehr oft erst später, kommt. Eine Umgestaltung oder eine Umbettung aus dem Friedwald sei dann nicht mehr möglich.

Wie ein Zen-Garten

Um diesem Trend entgegen zu wirken, richten Friedhöfe Grabfelder mit Themen ein wie Natur, Baumarten, Stauden, Gemeinschaft oder Streuobstwiese. In Kiel wurde jüngst ein Garten der Weisheiten eröffnet. Auszubildende haben die Anlage für 60 Urnen wie einen Zen-Garten gestaltet. Dazu gehören Kieselsteine, fernöstliche Pflanzen sowie am Eingang Steine, mit denen man Gräber dekorieren kann. „Vor Jahren wäre das nicht gegangen, weil Kieselsteine auf Gräbern verboten waren“, sagt Steffens. Es hat sich viel verändert: Friedhöfe bergen keine Angst-Räume mehr, sondern haben sich zu Parkanlagen oder Treffpunkte für Trauende entwickelt. „Was gut für den Menschen ist, ist auch gut für den Friedhof. Wir möchten vieles ermöglichen, solange es den Nachbarn nicht stört“, sagt er.
Doch nicht nur die Naturnähe macht einen Friedhof aus, auch sein Service, Sanitäranlagen und Busanbindungen bringen Vorteile. Und weil viele ältere Menschen den städtischen Urnenfriedhof in Kiel besuchen und manch einem der Gang über das weiträumige Areal schwerfällt, stellt das Grünflächenamt einen Rollstuhl zur Verfügung. Friedhofsleiter Jörg Hantelmann hat noch mehr Ideen: „Wir haben eine Fläche für die Bestattung in einer Bios-Urne angelegt: Sie hat eine Kammer für die Asche des Verstorbenen und eine für ein Substrat mit Pflanze, die neues Leben schafft.“

Förderverein für bessere Vermarktung

Um sich besser vermarkten zu können, haben die Friedhöfe der Nordkirche einen Förderverein gegründet. „Die Bestattungskultur verändert sich schnell, darauf müssen die kirchlichen Friedhöfe reagieren“, sagt Dirk Abts, Friedhofsbeauftragter des Kirchenkreises Hamburg-Ost. Bestattungsgesetze würden lockerer, und die Konkurrenz, wie durch kommerziell betriebene Bestattungswälder, größer. Hinzu käme, dass vielen der Unterschied zwischen einem kirchlichen und einem kommunalen Friedhof gar nicht bewusst sei. Und so unterstützt der Verein seine Mitglieder bei Aktionen mit Öffentlichkeitsarbeit.