Friedenspreis an Salman Rushdie verliehen

Die Todes-Fatwa des Ayatollahs Khomeini überschattete sein halbes Leben; vor gut einem Jahr wurde Salman Rushdie bei einem Attentat schwer verletzt. Am Sonntag erhielt er einen der höchsten deutschen Literaturpreise.

Humor hat Salman Rushdie – was nicht nur seine Romane beweisen. Vor 22 Jahren trat er im Erfolgsfilm „Bridget Jones“ auf, als er selbst, in einer denkwürdigen, vor allem aber urkomischen Szene. Vor Journalisten bei der 75. Frankfurter Buchmesse sagte er allerdings, für ihn sei das Schreiben das einzig Mögliche: „Ich habe kein anderes Talent.“

Humor braucht man wohl auch, wenn man ein so bewegtes Leben führt wie der Schriftsteller. Führen muss: Am 14. Februar 1989 verurteilte der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini Rushdie zum Tode. Begründet wurde der islamische Richtspruch damit, dass Rushdies Buch „Die satanischen Verse“, ein Jahr zuvor erschienen, „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“ gerichtet sei.

Erst seit einigen Jahren ist Rushdie wieder öffentlich aufgetreten, nachdem er lange Zeit unter Polizeischutz in verschiedenen Verstecken gelebt hatte. Seit einer Messerattacke im August 2022 ist der Autor auf dem rechten Auge blind. Rushdie hat bereits ein Buch über die Folgen des Attentats geschrieben. Es soll im April erscheinen und trägt den Titel „Knife. Gedanken nach einem Mordversuch“.

Bereits in seiner Autobiografie „Joseph Anton“ von 2012 berichtet Rushdie, 1947 als Sohn muslimischer Eltern in Mumbai (damals Bombay) geboren, über sein Leben unter Bewachung. 2007 wurde er von Königin Elisabeth II. allen Protesten aus Teheran zum Trotz in den Adelsstand erhoben.

Am Sonntag erhielt mit Rushdie nun einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Freiheit des Denkens und der Sprache den Friedenspreis des Buchhandels. Die Laudatio hielt Schriftsteller Daniel Kehlmann, der mit dem 76-Jährigen eng befreundet ist. Kehlmann sagte in der Frankfurter Paulskirche, Rushdie sei „unbestritten einer der großen Erzähler der Literaturgeschichte, der vielleicht wichtigste Verteidiger der Freiheit von Kunst und Rede in unserer Zeit – vor allem aber ein weiser, neugieriger, heiterer und gütiger Mensch“.

Mit seinen Romanen, Kurzgeschichten und Reiseberichten gehört Rushdie zu den wichtigsten Autoren der englischsprachigen Literatur. Und seit Jahren wird sein Lebensthema – der Kampf für Meinungsfreiheit und gegen Fanatismus – drängender. Die Ermordung des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh 2004; der Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ 2015; jüngst Debatten um Koranverbrennungen – drastische Stationen einer Auseinandersetzung, die viele als Zusammenprall von westlicher und islamischer Kultur empfinden. In dem leidgeprüften Freigeist Salman Rushdie scheint er sich zu verdichten.

Mit 14 Jahren kam Rushdie – dessen Vorname Salman „friedlich“ bedeutet – nach England. In Cambridge studierte er Geschichte und arbeitete zunächst am Theater, als freier Journalist und Werbetexter. Das Buch „Mitternachtskinder“ (1981) war sein Durchbruch. Sein jüngstes Werk „Victory City“ erzählt eine Geschichte aus dem alten Indien – und schlägt doch immer wieder den Bogen in die Gegenwart.

Rushdies Leben blieb geprägt von einem barbarischen Todesurteil – obwohl Autoritäten der ägyptischen Al-Azhar-Moschee die Fatwa gegen ihn als illegal verurteilten: Die Scharia gestatte es nicht, einen Menschen ohne Gerichtsverfahren zum Tode zu verurteilen. 1989 widersprachen alle Mitgliedsstaaten der Organisation der Islamischen Konferenz der Fatwa – mit Ausnahme des Iran. Zwar erklärte Teheran 1998, man unterstütze die Tötung Rushdies nicht mehr, doch offiziell zurückgenommen wurde das Urteil nie.

Meinungsfreiheit sei ein Menschenrecht, betonte der Autor schon 2015 auf der Frankfurter Buchmesse. Der Iran boykottierte damals die größte Bücherschau der Welt – wegen Rushdies Auftritt. Allerdings bedrohten nicht nur Terror und Gewalt die Meinungsfreiheit, sondern auch die Political Correctness, mahnte der Autor. Und: Man könne dem Terror nur trotzen, indem man nicht zu Hause bleibe – und der Furcht keinen Raum gebe. Am Sonntag sagte Rushdie, Verleger gehörten zu den wichtigsten Wächtern der Meinungsfreiheit: „Macht sie noch besser, seid noch tapferer und lasst tausend und eine Stimme auf tausend und eine verschiedene Weisen sprechen.“