Forscherin: Frauen brauchen mehr Schlaf als Männer

Frauen benutzen ihre Gehirne aufgrund von Multitasking mehr als Männer, sagt Schlafforscherin Birgit Högl. Deswegen brauchten sie auch bis zu eine Stunde mehr Schlaf.

Frauen brauchen aus Forschersicht bis zu eine Stunde mehr Schlaf als Männer. Das erklärte Birgit Högl, Professorin für Neurologie und Schlafmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck, im Interview mit der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“ (Donnerstag). Eine oft zitierte Studie des englischen Schlafmediziners Jim Horne werde von ihm selbst so gedeutet, dass Frauen aufgrund von Multitasking ihre Gehirne mehr benutzten und deswegen mehr Schlaf benötigten. „Diese Interpretation ist nicht ganz von der Hand zu weisen“, sagte Högl. Auch im Tierversuch sei gezeigt geworden, dass Gehirnareale eine höhere Tiefschlafaktivität aufweisen, wenn sie zuvor im Wachzustand aktiver gewesen wären.

Ein ausreichendes Schlafpensum liegt nach Angaben der Schlafforscherin bei Männern wie Frauen zwischen sieben und neun Stunden. Wer zu wenig schlafe, könne seine Gefühle schlechter regulieren. Auch die geistige Leistung und die Entscheidungsfähigkeit würden unter anderem eingeschränkt. Zudem wecke Schlafmangel das Bedürfnis nach kohlenhydratreicher, fettreicher und ungesunder Nahrung. „Gerade bei Jugendlichen hängt Schlafmangel oft mit Übergewicht zusammen“ sagte Högl. Schlaf lasse sich auch nur zum Teil wieder nachholen. Högl: „Den verpassten Schlaf wieder komplett hereinzuholen, das geht nicht.“

Die Neurologin sieht darüber hinaus das Träumen im Schlaf als „absolut notwendig für verschiedene Funktionen des Gehirns“ an. Einschneidende Erlebnisse würden im Traum bearbeitet und bewältigt. Im Gegensatz zum Wachzustand würden andere Netzwerke im Gehirn mit anderen Kombinationen von Botenstoffen aktiviert. „Das Gehirn mischt alle möglichen Dinge durcheinander. Heraus kommen plastische, farbige und oft auch bizarre Träume“, erklärte Högl.

Die Schlafforscherin liefert auch den Grund für ein Phänomen, das vielen Menschen bekannt sein dürfte: Im Traum ist man auf der Flucht, kann sich aber nicht von der Stelle bewegen, weil man „Beine schwer wie Teig hat“. „Körperlich wird die Muskelaktivität gehemmt. Wir werden physiologisch gelähmt, damit wir nicht das tun, was wir träumen“, erklärte Högl. Bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung sei das hingegen anders: Menschen täten dann tatsächlich das, was sie träumten – und gingen zum Beispiel ihrem Partner an die Gurgel. „Die Muskelhemmung schützt uns davor, dass wir tatsächlich die Bewegungen ausführen, die zum Inhalt des gerade Geträumten passen“, sagte Högl.