Forscher warnt vor Instrumentalisierung des Solinger Anschlags

Der Extremismusforscher Andreas Zick warnt davor, den Solinger Anschlag zu instrumentalisieren. Nötig sei vielmehr, die Analyse von möglichen Gefährdern zu verstärken und den Terror genau zu analysieren, sagte der Wissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bielefeld. Den Bürgern sollten nicht Modelle angeboten werden, die nicht umsetzbar seien. Das stärke den Populismus. Der Messerangriff am Freitagabend auf Festbesucher in Solingen hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt und eine Debatte über politische Konsequenzen insbesondere beim Thema Migration ausgelöst.

Vor den Landtagswahlen am kommenden Sonntag in Thüringen und Sachsen, wo die AfD mit dem Thema Migration punkte, versuche die CDU seit Wochen, mit scharfen Modellen von Abschiebungen Wähler zu gewinnen, sagte Zick. Dass nun die Schärfe zunehme und etwa von CDU-Chef Friedrich Merz auch die Frage der Einbürgerungen aufgeworfen werde, bezeichnete der Forscher als irritierend. Der mutmaßliche Attentäter von Solingen sei nicht im Einbürgerungsverfahren gewesen. „Jetzt in der Sache die Fakten zu vermischen, hilft denen, die noch ganz andere Maßnahmen fordern“, warnte Zick.

Das Thema Migration wird nach Einschätzung des Experten bei den bevorstehenden Landtagswahlen sowie bei der Bundestagswahl in gut einem Jahr „das Politikthema Nummer 1“ sein. Bis kurz vor den Europawahlen Anfang Juni hätten die Bürger andere Sorgen bewegt. Im Wahlkampf selbst lasse sich jedoch das Thema Migration besser für politische Signalbotschaften nutzen: „Migration ist mit Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten stärker besetzt als mit Chance, Notwendigkeiten und realistischen Herausforderungen“, erläuterte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.

Nach dem Anschlag in Solingen müsse mit einer Zunahme von fremdenfeindlicher Gewalt gerechnet werden, sagte Zick. „Die islamistischen Terrorattentate sind immer mit einer Zunahme an Muslimfeindlichkeit und Verdächtigungen wie Herabwürdigungen von Unschuldigen einhergegangen“, warnte er. „Das wissen gerade die Solinger, denn sie haben schon mehrere rechtsextreme, rassistische und nun scheinbar auch islamistische Angriffe erlebt.“ Für Solingen sei der Anschlag ein sehr belastendes Ereignis. Auch wenn es schwerfalle, sei es wichtig, Ruhe zu bewahren und eine Trauerkultur einzuhalten.

Beim „Fest der Vielfalt“ zum 650. Solinger Stadtjubiläum hatte ein Mann am Freitagabend mit einem Messer auf Festbesucher eingestochen. Drei Menschen wurden getötet und acht verletzt. Der mutmaßliche Attentäter Issa Al H. wurde am Samstagabend festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft. Dem 26-jährigen Syrer wird unter anderem die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen. Er soll als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sein und sich seiner Abschiebung durch Untertauchen entzogen haben.