Pro-palästinensische Protestcamps und Demonstrationen von Studierenden sind nach den Worten des Wissenschaftlers Mathias Berek nicht per se antisemitisch. Sie enthielten aber „problematische Elemente“, sagte der Antisemitismusforscher der TU Berlin am Samstag im WDR5-„Morgenecho“. „Man muss sich das in allen Fällen genauer anschauen und wird in vielen Fällen fündig werden, was die Elemente sind, die es antisemitisch machen.“
Eine Orientierung bei möglichen antisemitischen Äußerungen könnten die sogenannten drei D liefern, erläuterte Berek. Das erste D stehe für die Dämonisierung des Staates Israel, was sich zum Beispiel in einer Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus zeige. Dann werde behauptet, es gebe einen gezielten Genozid und Israel sei ein rassistisches Regime. Daraus ergebe sich das zweite D, welches für Delegitimierung stehe, sagte der Antisemitismusforscher. Das Existenzrecht Israels werde dann infrage gestellt und es werde behauptet, dass es sich um „keine richtige Nation“ handele. Das dritte D stehe wiederum für doppelte Standards. Die Kritik an Israel werde an keinem anderen ähnlichen Staat der Welt geäußert.
Eine Infragestellung des Existenzrechts Israels spiegele sich etwa in solchen Parolen wie „From the river to the sea – Palestine will be free“, erläuterte der Antisemitismusforscher. Darin stecke, dass es keinen israelischen Staat mehr geben, sondern das ganze Gebiet „Palästina“ sein solle. Dann gäbe es keinen Platz mehr für Jüdinnen und Juden. Diese Forderung hätten unter anderem Akteure wie die Hamas aufgemacht. Dass es dann auch nicht mehr nur um Vertreibung gehe, habe der Angriff am 7. Oktober gezeigt. Wenn jemand dies nicht aus einer antisemitischen Einstellung aufgreife, „dann kann man doch eine gewisse Naivität und eine gewisse Bereitschaft, das in Kauf zu nehmen, unterstellen“, unterstrich der Forscher.
Es sei zudem wichtig, zu schauen, wer in welchem Zusammenhang spreche. Es mache einen Unterschied, ob jemand Verwandte in der Region oder sich das Thema so gesucht habe, eine 14-jährige Schülerin oder ein Parteifunktionär sei und eine Debatte in der Region oder in Deutschland führe, unterstrich er. Wer nicht direkt von der Situation betroffen sei, müsse sich die Frage stellen lassen, wieso dieses Thema und nicht ein anderes für den eigenen Protest genutzt werde.