Filmfestspiele in Venedig: Almodóvar bekommt seinen Goldenen Löwen

Preise hat der 74-jährige Spanier Pedro Almodóvar schon viele gewonnen. Auf allen drei großen Filmfestivals in Berlin, Cannes und Venedig gab es seit seinem Durchbruch 1988 mit „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ Auszeichnungen für das Drehbuch oder die Regie – dazu kommen Golden Globes, Goyas und sogar ein Oscar als bester nicht englischsprachiger Film für „Alles über meine Mutter“ (1999).

Was dem Regisseur bislang aber versagt geblieben war, war ein großer Hauptpreis, also die Goldene Palme, der Goldene Bär oder der Goldene Löwe. Umso mehr Applaus bekam Almodóvar zum Abschluss der 81. Filmfestspiele in Venedig, als es für seinen neuen Film „The Room Next Door“ endlich so weit war: Er konnte den Goldenen Löwen in den Händen halten.

In dem Film erzählt Almodóvar nach einer Romanvorlage von Sigrid Nunez von den zwei Freundinnen Ingrid und Martha, die sich nach langen Jahren wiedersehen. Gespielt von Julianne Moore und Tilda Swinton knüpfen die Frauen mit intensiven Gesprächen an ihre alte Freundschaft an. Eine von ihnen ist an Krebs erkrankt und bittet die andere um Mithilfe dabei, selbstbestimmt sterben zu dürfen.

Ganz ohne polemischen Gestus, der das Thema Sterbehilfe sonst oft begleitet, gelingt Almodóvar mit „The Room Next Door“ ein nachdenklicher und berührender Film. Und auch wenn Kritiker bemängeln, dass es nicht sein bester Film sei, war man sich doch einig darüber, dass Almodóvar der Goldene Löwe aus vollem Herzen zu gönnen sei.

Viel Zustimmung gab es auch für Wahl der Jury unter dem Vorsitz der französischen Schauspielerin Isabelle Huppert für die Verleihung des silbernen Löwen. Er ging an die noch weitgehend unbekannte italienische Regisseurin Maura Delpero, die mit großer naturalistischer Glaubwürdigkeit in ihrem Film „Vermiglio“ von einer kleinen Gemeinde in den Alpen zum Ende des Zweiten Weltkrieg erzählt. Film und Regisseurin gelten als eine der Entdeckungen des diesjährigen Festivals, das sich mit einer Reihe enttäuschender Filme zwischendurch schon als Jahrgang unerfüllter Hoffnungen präsentiert hatte. Insbesondere Todd Phillips „Joker: Folie a Deux“ stieß nicht auf die erwartete Zustimmung.

Aber der Jury gelang es zum Ende, das Scheinwerferlicht doch wieder auf die wichtigen und interessanten Filme zu richten. Dazu gehört das dreieinhalbstündige Mammutwerk „The Brutalist“, für den Brady Corbet als bester Regisseur ausgezeichnet wurde. Der Amerikaner Corbet, der seine Karriere als Schauspieler begonnen hatte, bevor er ins Regiefach wechselte, erzählt darin mit einem herausragenden Adrien Brody in der Hauptrolle von der amerikanischen Immigration eines fiktiven ungarischen Architekten und Holocaust-Überlebenden.

Ihren Durchbruch erlebte in Venedig auch die georgische Regisseurin Dea Kulumbegashvili, die mit ihrem Abtreibungsdrama „April“ den Jury-Preis und viel Kritikerlob gewann. Der Film mit starker Botschaft und kompromissloser Ästhetik wird seine Zukunft aber eher im „Festival-Zirkus“ als bei der Kinoauswertung haben.

Beim Preis für das beste Drehbuch bewies die Jury ebenfalls eine glückliche Hand, zählte doch Walter Salles’ Film „I’m Still Here“ zu den stillen Favoriten des Festivals. Die brasilianischen Autoren Murilo Hauser und Heitor Lorega, die darin den wahren Fall eines in der Zeit der Militärdiktatur in Brasilien verschleppten Familienvaters rekonstruieren, schufen einen Film, der tief bewegt und seine Wirkung erst nach und nach entfaltet.

Mit der fast trotzigen Aussage, das Kino sei in guter Form, hatte Jurypräsidentin Isabelle Huppert die Löwen-Vergabe eingeleitet. Angesichts der Summe der Preisträgerfilme kann man ihr nur zustimmen – auch wenn absehbar scheint, dass Venedig in diesem Jahr seine Rolle als Startrampe für erfolgreiche Oscar-Filme weniger als in den Vorjahren erfüllen wird, als mit „Joker“, „Nomadland“ und „Poor Things“ spätere Favoriten gefeiert wurden.