Fernsehgottesdienste: Mit Segen auf Sendung

45 Minuten dauert ein Gottesdienst im Fernsehen. Damit alles klappt, wird Monate vorher organisiert, geplant und geprobt. Viel Arbeit für die Gemeinden und die Senderbeauftragten, die sie begleiten.

Übertragungswagen des ZDF vor der Johanneskirche in Eltville-Erbach.
Übertragungswagen des ZDF vor der Johanneskirche in Eltville-Erbach.epd-bild/Andrea Enderlein

Ein Gottesdienst auf dem Sofa? Klar, warum nicht. Fernsehgottesdienste ermöglichen das. Die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Die einen können damit nicht viel anfangen, sie besuchen am Sonntagvormittag lieber die Kirche vor Ort. Andere schauen gelegentlich einen Fernsehgottesdienst oder bleiben zufällig dort hängen. Und dann gibt es die, die gezielt den Fernseher einschalten, weil sie am Sonntag um 9.30 Uhr den Gottesdienst im ZDF sehen wollen. Seit 2020, seit der Corona-Pandemie, sind letztere immer mehr geworden.

„2019 hatten wir im Jahresdurchschnitt 690 000 Zuschauerinnen und Zuschauer pro Gottesdienst“, sagt Pfarrer Stephan Fritz. „Im vergangenen Jahr waren es 820 000 und 10 Prozent Marktanteil.“ Wenn am Sonntag ein evangelischer Gottesdienst gesendet wurde – das ist alle zwei Wochen der Fall – „dann ist am Montagmorgen bei uns so was wie Bescherung“, sagt Stephan Fritz. Seine Kollegin Simone Hahn lacht. „Stimmt schon“, sagt sie, „das ist immer interessant, wenn die Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung kommen und wir erfahren, wie viele Menschen den Gottesdienst gesehen haben.“

Kurzfristige Änderungen sind eine Herausforderung, aber möglich

Auch Simone Hahn ist Pfarrerin. Seit Anfang 2020 ist sie Senderbeauftragte für ZDF-Gottesdienste, ihr Kollege macht das bereits seit 2007. „Ich hatte kaum angefangen, dann kam Corona“, sagt Hahn. Dann musste erst mal vieles komplett anders laufen. „Aber es ist gut, dass wir als Kirche auf solche Ereignisse eingehen können. Unser Glaube gibt Orientierung und Trost“, betont die Pfarrerin. Auch wenn es eine Herausforderung für das Gottesdienst-Team ist, sind kurzfristige Änderungen im Gottesdienst möglich. Das war auch nötig, als der Krieg in der Ukraine ausbrach. „Dann gehen wir auf dieses Thema ein. Ich bin so froh, dass wir eine Botschaft haben, die Menschen auch tröstet“, sagt Simone Hahn.

In der Regel bereiten sich die Beteiligen mindestens neun Monate auf einen Gottesdienst vor. „Wir suchen jetzt die Kirchen und Gemeinden für das Jahr 2024 aus und beginnen mit ersten Vorbereitungen“, sagt Stephan Fritz. Für 2023 stehen bereits alle Übertragungsorte fest. Das ZDF überträgt jede Woche einen Gottesdienst: eine Woche evangelisch, die andere Woche katholisch.

Auch die ARD überträgt Gottesdienste. Allerdings nur an besonderen Feiertagen wie etwa Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten. Pfarrerin Petra Schulze, die evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR, sagt: „Die insgesamt neun Landesrundfunkanstalten sind für Gottesdienste in ihrem Bereich zuständig, die dann bei der ARD gesendet werden.“

Rundfunk-Staatsvertrag regelt die Möglichkeit von Fernsehgottesdiensten

Dass überhaupt Gottesdienste und andere kirchliche Sendungen wie etwas das „Wort zum Sonntag“ gesendet werden dürfen, regelt der Rundfunk-Staatsvertrag. Dort heißt es: „Den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten für die Übertragung gottesdienstlicher Handlungen und Feierlichkeiten sowie sonstiger religiöser Sendungen, auch solcher über Fragen ihrer öffentlichen Verantwortung, zu gewähren.“ Stephan Fritz erklärt: „Die inhaltliche Verantwortung trägt die Kirche.“ Er ist, wie alle Senderbeauftragten, bei der Kirche angestellt, nicht beim Sender.

Beim ZDF hat die evangelische Kirche 28 Sendeplätze im Jahr für evangelische Gottesdienste. Das heißt für Fritz und Hahn jede Menge Arbeit. Sie sind dafür zuständig geeignete Gemeinden zu finden. Und das ist längst nicht jede und das fängt schon mit der Lage an. „Es muss um die Kirche herum genügend Platz sein für die Übertragungswagen“, sagt Simone Hahn. In der Kirche darf der Mittelgang nicht zu eng sein, damit Technik und Kameras genügend Platz haben. Außerdem braucht es die Möglichkeit, am Übertragungswochenende ein Team von rund 25 Menschen unterzubringen und zu versorgen.

Blick in eine Fernsehkamera, die gerade Heinrich Bedfort-Strohm aufzeichnet.

„Natürlich muss die Gemeinde einverstanden sein und der Pfarrer oder die Pfarrerin müssen bereit sein, sich für den Auftritt vor der Kamera schulen zu lassen“, sagt Fritz. Er und seine Kollegin begleiten Gemeinden von der Ideenfindung bis zum Übertragungswochenende. „Einmal im Monat treffen wir uns mit dem Gottesdienst-Team“, sagt Simone Hahn. Inzwischen nicht immer vor Ort, sondern dazwischen auch mal am Bildschirm.

Ähnlich läuft es bei den Gottesdiensten auf ARD. Da suchen ebenfalls die Senderbeauftragten die Orte und Gemeinden aus. „Es sind nur längst nicht so viele“, sagt Petra Schulze. In diesem Jahr kommt vom WDR voraussichtlich nur ein evangelischer Gottesdienst. „Am Ostermontag übertragen wir den Gottesdienst aus der Reinoldi-Kirche in Dortmund“, berichtet Petra Schulze. Die Vorbereitungen laufen bereits seit letztem Sommer – mit dem Team „Kino und Kirche“. Sie hofft, dass diesmal alles so klappt, wie von langer Hand geplant. „Denn 2020, als Corona ausbrach, waren wir vom WDR für den Ostergottesdienst zuständig. Den mussten wir komplett neu machen“, berichtet sie. „Im letzten Jahr das gleiche – nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine mussten wir den Ostergottesdienst thematisch neu ausrichten.“

Keine Gottesdienstsendung ohne Vaterunser und Segen

Auch Schulze greift gelegentlich auf Kirchen zurück, von denen sie weiß, dass sie geeignet sind. Ebenso bei den Predigerinnen und Predigern: „Es hilft schon, wenn jemand Erfahrung mit Medien hat.“

Was den Ausschlag gibt, aus einer bestimmten Gemeinde zu senden, ist unterschiedlich: „Mal haben wir ein Thema und suchen den Ort dazu, mal wollen wir eine bestimmte Pfarrerin oder Pfarrer und manchmal steht der Ort oder die Musik fest“, sagt Simone Hahn. Auf jeden Fall wird das Team gut vorbereitet. „Bei uns gibt es ein dreitägiges Seminar, wo der Prediger oder die Predigerin geschult wird.“ Nach Möglichkeit sollen alle frei sprechen – „auf jeden Fall ohne Ringbuch“. Allenfalls Karteikarten wären möglich. „Ganz wichtig ist uns, dass jeder Gottesdienst einen roten Faden und eine Botschaft hat, die unsere Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht“, sagt Stephan Fritz. Auch darauf zu achten ist eine Aufgabe der Senderbeauftragten.

Manchmal kann es sein, dass jemand zu lang redet. „Dann müssen wir an einer anderen Stelle kürzen und zum Beispiel eine Strophe weniger singen“, sagt Fritz. Denn die Sendezeit beträgt 45 Minuten. Nicht mehr. Und am Ende kürzen geht gar nicht, denn oberstes Gebot ist: Keine Gottesdienstsendung ohne Vaterunser und Segen.

• Im Internet unter www.fernsehgottesdienst.de findet sich der Jahresplan für die ZDF-Gottesdienste mit Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen.