Feigheit ist die größte Sünde

Die Passionsgeschichte aus einer ganz anderen Sicht: aus der des Pontius Pilatus. Die Theatergruppe Glassbooth zeigt in „Pontius Pilatus“, wie dieser zu der Entscheidung kam, Jesus kreuzigen zu lassen – und wie sich das vor allem auf seine Psyche auswirkte

Pontius Pilatus hat Migräne. Wie er geht, wie er sich bewegt – man kann den Kopfschmerz förmlich sehen. Er sitzt mit gequältem Gesicht auf seinem Thron und versucht dennoch seinen Aufgaben nachzugehen.
Dominik Hertrich spielt diesen Pontius Pilatus im gleichnamigen Theaterstück. Die Premiere steht vor der Tür. Im Martin-Luther-Forum in Gladbeck wird fleißig geprobt. Das Stück ist eine Theateradaption des Regisseurs Jens Dornheim. Vorlage ist der Roman „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow.

Profis und Laien arbeiten gut zusammen

Jens Dornheim ist auch der Kopf von Glassbooth, einer freien Theatergruppe in Essen. „Wir haben kein festes Ensemble, sondern setzen uns für jedes neue Stück wieder neu zusammen.“ Für „Pontius Pilatus“ gab es ein Casting, bei dem auch Laien eine Chance hatten. „Wir wollten, dass Leute aus der Region dabei sind.“ Das Casting fand ebenfalls im Martin Luther Forum in Gladbeck statt. „Wir hatten mit den Verantwortlichen schon bei unserem Theaterstück „Luther“ gute Erfahrungen gemacht. Sie kamen danach auf uns zu und fragten, ob wir nicht noch ein weiteres Stück hätten, das wir hier aufführen könnten.“ Die Wahl fiel auf „Pontius Pilatus“.
Auf der Bühne führt ein römischer Soldat einen Gefangenen zu Pontius Pilatus. Es ist Jeschua Ha-Nozri (hebräisch für: Jesus von Nazareth). Er spricht Pontius Pilatus auf dessen Kopfschmerzen an. Der versteht nicht, woher das dieser Gefangene weiß. Jeschua heilt ihn. Pontius Pilatus kann es gar nicht fassen und ist gleich besser gelaunt. Doch Jeschuas Bemerkung, es gebe nur gute Menschen, findet er lächerlich. Als Jeschua ankündigt, das Reich der Wahrheit werde kommen, wird Pontius Pilatus etwas ungehalten.
Der Schauspieler Dominik Hertrich identifiziert sich mit seiner Rolle als Pontius Pilatus. „Ich habe mir die Gesichtsausdrücke von Menschen angeschaut“, beschreibt er, wie er sich auf seine Rolle vorbereitet hat. „Vor allem habe ich darauf geachtet, wie andere Schauspieler Bösewichte spielen.“ Um seine Rolle gut auszufüllen, helfe ihm auch sein Kostüm und das Bühnenbild. „So ein großer, mächtiger Thron macht schon was her. Von da aus lässt es sich herrschen.“
Die Körperhaltung übt er auch im Alltag. „Ich bin kürzlich mal in der Haltung des Pilatus durch ein Einkaufszentrum gegangen“, erzählt er. „So aufrecht, majestätisch. Da fühlt man sich gleich ganz anders.“ Die biblische Geschichte ist ihm vertraut. Auch wenn da längst nicht so viel über Pontius Pilatus berichtet wird wie im Theaterstück.

Pontius Pilatus handelt entgegen seinem Gefühl

Nächste Szene: Der Hohepriester Kaiphas kommt zu Pontius Pilatus und will ihm mitteilen, welcher der vier Verbrecher anlässlich des Passahfestes begnadigt wird. Die Wahl des Hohen Rates sei auf Barabbas gefallen. Pontius Pilatus ist davon nicht sonderlich begeistert. Er hätte lieber gesehen, dass Jeschua am Leben bleibt. Hatte er doch gehofft, er könne ihn weiterhin vom Kopfschmerz befreien. Überhaupt leuchtet ihm die Entscheidung nicht ein, dieser Jeschua wirkt auf ihn nicht sonderlich gefährlich. Doch er ist zu feige, er fürchtet um seine gute Position und um sein bequemes Leben. Als Zuschauer hat man deutlich den Eindruck, Pontius Pilatus steht nicht hinter seiner Entscheidung. Er wirkt schwermütig.
„Wir spielen nicht die Passionsgeschichte wie sie in der Bibel steht“, sagt Alexander Kupsch. „Im Mittelpunkt steht Pontius Pilatus. Aber an der Figur des Jesus wird nicht gerüttelt.“ Kupsch spielt Jeschua. „Das ist schon eine besondere Rolle.“ Der Student hat sich mit der Figur des Jesus auseinandergesetzt und sich in erster Linie überlegt, wie er sich wohl gefühlt hat. Auf der Bühne bringt er Jesu unterschiedliche Gemütslagen wie Wut, Mitleid oder Traurigkeit, gut rüber.
Die Kreuzigungsszene bleibt ihm erspart. Besser gesagt, er musste sie vor laufender Kamera spielen. Bei der Aufführung wird dann diese Filmszene gezeigt. „Es wäre zu aufwändig gewesen, das jedes Mal auf der Bühne aufzubauen“, sagt Jens Dornheim. Nach dem Einspieler ist Pause. Das Bühnenbild wird umgebaut, einige Handgriffe dazu mehrmals geübt. „Das muss schnell und unauffällig gehen.“ Der Regisseur ist ansonsten aber sehr zufrieden.

Im Traum erkennt Pilatus, was er getan hat

Im weiteren Verlauf des Stückes spielen neben anderen vor allem auch Judas und der Geschichtsschreiber Levi Matthäus eine wichtige Rolle. Pontius Pilatus aber wird immer wieder gequält von seinem schlechten Gewissen. Er trifft Entscheidungen so, dass sie seinem Wohlergehen dienen und seine Position nicht in Gefahr bringen. Eines Nachts träumt er. Die Botschaft seines Traumes: „Feigheit ist eine der schrecklichsten Sünden.“

„Pontius Pilatus“ ist zu sehen:
Dortmund: 8. April um 20 Uhr im Theater im Depot, Immermannstraße 29.
Gelsenkirchen: 9. April um 18 Uhr in der Emmaus-Kirchengemeinde, Robert-KochStraße 3a.
Essen: 13. April um 19.30 Uhr im Chorforum, Fischerstraße 2-4.
Infos im Internet: www.glassbooth.de.