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Falscher Glanz

Reichskanzler Adolf Hitler (l) und Franz von Papen (M) auf dem Weg zur Eröffnungssitzung des neuen Parlaments in der Potsdamer Garnisonkirche am 21. März 1933. Foto: dpa

Von Hartmut Ludwig

Die Bildung der „nationalen Regierung“ am 30. Januar 1933 mit Adolf Hitler als Reichskanzler, acht konservativen und zwei NSDAP-Ministern gab „mindestens 80 Prozent der bewussten Protestanten eine klare Losung“, schrieb Kirchenpräsident Theophil Wurm. Hitler und die NSDAP sollten in eine mehrheitlich konservative Regierung eingebunden werden. Am 1. Februar wurde der Reichstag aufgelöst und Neuwahlen für den 5. März angeordnet. In Hitlers Wahlkampfreden war viel von Christentum und Kirche die Rede, gelegentlich verfiel er in eine Art Gebetston oder schloss seine Rede mit „Amen“. In Königsberg sollte sein letzter Auftritt vor der Wahl mit den Glocken des Doms schließen. Da die Kirche das ablehnte, ließ Goebbels im Rundfunk eine Schallplatte mit Glockenklang abspielen. All dies diente dem Zweck, dass die noch zögernden Kirchen die Nazis akzeptierten.Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar setzte eine Verordnung Hindenburgs die Grundrechte außer Kraft. Die Verhaftung Tausender politischer Gegner begann nach vorbereiteten Listen. Viele, die sich bedroht fühlten, tauchten unter oder verließen Deutschland. Zu allem schwiegen die Kirchen, da sie noch nicht selbst direkt betroffen waren. Doch obwohl die Nazis den Wahlkampf der anderen Parteien behindert hatten, verfehlten sie am 5. März die absolute Mehrheit.

Das „neue“ Deutschland

Der „Tag von Potsdam“ sollte nun Zögernde für den Nationalsozialismus gewinnen. Der 21. März war für die konstituierende Sitzung des gewählten Reichstages ausgesucht worden, weil nach der Gründung des Deutschen Reiches der Reichstag am 21. März 1871 erstmals getagt hatte. Die Garnisonkirche als Ort für den Staatsakt galt als Symbol dafür, dass das „neue“ Deutschland an die preußische Geschichte und Tradition anknüpfen wollte. Vor dem Staatsakt fanden Gottesdienste für die Abgeordneten in der Nikolaikirche und der Peter-und-Paul-Kirche statt. Reichspräsident Hindenburg nahm am Gottesdienst in der Nikolaikirche teil. In der katholischen Kirche blieb der Stuhl für Hitler leer. Er könne nicht teilnehmen, da katholische Bischöfe Mitglieder der NSDAP als „Abtrünnige der Kirche“ bezeichnet und das bisher nicht widerrufen hätten, gab er als Begründung an.Als bekannt wurde, dass Generalsuperintendent Otto Dibelius an diesem Tag in der Nikolaikirche predigen werde, bat der Bonner Theologe Karl Barth ihn am 17. März in einem Brief, „im Namen der heute mundtot Gemachten“ zu bedenken, dass „viele Millionen von Deutschen, die, wenn in Potsdam die Glocken läuten und die Fahnen wehen, schweigend und abgewandt abseits stehen werden“, weil für sie die Feier „eindeutig unter dem Aspekt von Gewaltherrschaft und Unterdrückung steht“.

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