Fall Ofarim: „Erfundener Einzelfall schadet den wahren Opfern“

Der Sänger Gil Ofarim hat sich antisemitische Beleidigungen ausgedacht – und schadet damit den wahren Opfern, sagt Meron Mendel,  Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank.

Gil Ofarim stand in Leipzig vor Gericht – und räumte seine Lüge ein
Gil Ofarim stand in Leipzig vor Gericht – und räumte seine Lüge einImago / Christian Grube

Der Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, hat sich besorgt über wachsenden Antisemitismus in Deutschland geäußert. „Dieser massiven Bedrohungslage der jüdischen Community sollte unsere gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit gelten“, sagte Mendel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Jüdinnen und Juden in Deutschland seien aktuell einem beispiellosen Ausmaß an Antisemitismus ausgesetzt.

Dies zeige sich in tätlichen Angriffen, Äußerungen und gezielten Sachbeschädigungen. Zum Fall des jüdischen Sängers Gil Ofarim, der vor Gericht eingeräumt hatte, gelogen zu haben, sagte Mendel: „Ofarims Lüge ist klar zu verurteilen“. Sein Verhalten ändere aber „so wenig am gravierenden Antisemitismusproblem, wie eine einzelne erfundene Vergewaltigung die reale Problematik sexualisierter Gewalt infrage stellen würde“.

Ofarim hielt zwei Jahre an Lüge fest

Ofarim hatte 2021 behauptet, von einem Mitarbeiter eines Leipziger Hotels antisemitisch beleidigt worden zu sein und hielt zwei Jahre lang an dieser in den sozialen Medien verbreiteten Aussage fest. Ein Strafverfahren gegen den Sänger wegen Verleumdung ist nach einem Geständnis Ofarims vorläufig eingestellt worden.

„Das Tragische ist, dass diese erfundenen Einzelfälle oft weitaus größere Aufmerksamkeit erhalten und so den wahren Opfern schaden“, sagte Mendel. Tatsächlich Betroffene berichteten immer wieder davon, dass ihnen ihre Erfahrungen antisemitischer, rassistischer, sexistischer Gewalt abgesprochen würden. „Es darf aber nicht sein, dass die Lügen Einzelner jene Menschen in Misskredit bringen“, sagte Mendel.

Mendel: Wir haben ein Problem mit Antisemitismus

Der Fall zeige auch, „dass Social-Media-Dynamiken zunehmend die Art und Weise bestimmen, wie wir Debatten führen“. Jede und jeder einzelne sollte viral gehende Einzelfallschilderungen in den sozialen Medien grundsätzlich kritisch prüfen.

Der Umgang mit Antisemitismus sollte Mendel zufolge „nicht von einzelnen Betroffenenberichten und damit einhergehenden Erregungskurven in Social Media abhängen“. Forschung, Bildungspraxis und Statistiken zeigten, „dass wir ein gesamtgesellschaftliches Problem mit Antisemitismus haben, dem wir uns mit Nachdruck widmen müssen“.

Dagegen würden „ritualisierte Nie-wieder-Bekenntnisse oder reflexhafte Solidarität mit einem scheinbar betroffenen Prominenten dieses Problem nicht lösen“. Vielmehr brauche es langfristig gesicherte und entsprechend finanzierte Maßnahmen der Bildung und Prävention sowie Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene.