Expertin: Würdevoller Umgang mit Toten ist Menschenrecht

Das Menschenrecht auf eine würdige Bestattung wird laut der Sozialethikerin Michelle Becka in vielen Konflikten weltweit missachtet. Die Regeln des humanitären Völkerrechts zum Umgang mit anonymen Toten würden leider kaum eingehalten und seien zudem nicht ausreichend, sagte die Würzburger Professorin für christliche Sozialethik dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wie Menschen behandelt würden, die etwa auf der Flucht und im Krieg sterben oder gewaltsam verschleppt würden, werde in vielen Gesellschaften verdrängt. Der angemessene Umgang mit Toten sei aber ein Menschenrecht.

Becka ist Moderatorin einer Arbeitsgruppe der Deutschen Kommission Justitia et Pax, die ein Papier zum gesellschaftlichen Umgang mit den Toten veröffentlicht hat.

Das Thema sei zugleich persönlich und politisch, sagte Becka. „Jeder kann sich vorstellen, wie es wäre, wenn ein naher Angehöriger stirbt oder verschwindet und nichts über seinen Verbleib bekannt ist. Es bleibt eine offene Wunde“, sagte sie. Gerade weil der Umgang mit Verstorbenen so persönlich sei, könnten Machthaber oder Kriegsparteien dadurch Hinterbliebene verletzen. „Sie wissen, ihnen liegt daran, wie mit ihren Verstorbenen umgegangen wird“, sagte Becka. „Es geht darum, die Hinterbliebenen zu treffen und Gesellschaften dadurch zu destabilisieren.“

Die Regeln des humanitären Völkerrechts schreiben vor, dass Tote identifiziert und auf eine würdige Art und Weise bestattet werden müssen. Wenn möglich, sollen Riten der Religion des Verstorbenen berücksichtigt werden. Außerdem sollen Familienangehörige über das Schicksal ihrer verstorbenen Angehörigen informiert werden. Das werde aber in Krisen und Konflikten nicht immer gemacht, sagte Becka. Und in Deutschland behandele man Migration nur noch als ein innenpolitisches Problem, ohne überhaupt in Erwägung zu ziehen, was es eigentlich für die Menschen und ihre Angehörigen bedeute, die hierher kämen und möglicherweise hier oder auf dem Weg hierher sterben.

In der Verantwortung seien zunächst staatliche Institutionen, die ihrer Verpflichtung aber nicht immer nachkämen, betonte Becka. Es gebe daher auch eine Reihe von NGOs oder privaten Initiativen. Auf der italienischen Insel Lampedusa gibt es etwa die NGO Mediterranean Hope, die auf der Flucht verstorbene Menschen bestatten lässt. Die italienische Forensikerin Cristina Cattaneo kümmert sich darum, Tote zu identifizieren. Allerdings sei das teuer und es gebe keine politische Bereitschaft, diese Kosten zu übernehmen, sagte Becka.

Die Kommission appelliert daher an die Bundesregierung, sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass gerade besonders vulnerable Menschen über ihren Tod hinaus in ihrer Menschenwürde geschützt werden, sowie die Rechte ihrer Angehörigen verteidigt werden.