Artikel teilen:

Expertin: Menschen mit Demenz werden aus Gesellschaft verbannt

Die eine singt plötzlich beim Kaffeklatsch, der andere sagt laut im Gottesdienst, dass er sich langweilt. Menschen mit Demenzerkrankungen tun oft Dinge, die Normen widersprechen. Wie geht man mit ihnen um?

Menschen mit Demenz tauchen nach Einschätzung einer Expertin im gesellschaftlichen Leben oft nicht mehr auf. Das habe viel mit Unsicherheit und Unwissen zu tun, sagte die Theologin und Expertin für Demenz, Maria Kotulek, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Sie gehören aber in die Mitte der Gesellschaft.” Hemmungen und Berührungsängste im Umgang mit dementen Menschen sollten abgebaut werden. Kotulek fordert: “Wir müssen die ganze Gesellschaft zum Thema Demenz schulen.”

Dann sei es auch für Angehörige einfacher, mit einem Demenzerkrankten öffentliche Einrichtungen oder Veranstaltungen zu besuchen. “Wenn alle wissen, dass Menschen mit Demenz das sagen, was sie gerade fühlen, ist es auch nichts Besonderes, wenn derjenige etwa laut im Gottesdienst äußert, dass ihm gerade langweilig ist.” Die Deutschen würden durchschnittlich älter – und damit steige auch die Zahl der Betroffenen hierzulande. Kotulek hat an einem neuen Ratgeber zur Altenpflege und Altenpastoral der Deutschen Bischofskonferenz mitgearbeitet.

Demenzerkrankte hätten oft kindliche Züge – “sie sind aber keine Kinder”, sagte Kotulek weiter. “Sie haben ihre komplette Biografie im Hintergrund und müssen entsprechend ernst genommen werden.” Sie mahnte eine besonders gute Ausbildung von Pflegefachkräften und Seelsorgern an. “Wir müssen unseren Blick auf die Zielgruppe ändern. Es geht hier nicht um Menschen, die betüdelt werden wollen, sondern die eine große Lebenserfahrung haben und oft an mehreren Krankheiten gleichzeitig leiden.”

Zudem plädierte sie für einen positiveren Blick auf den Beruf der Altenpflege. “Er hat ein negatives Image, noch mehr als Krankenpflege ohnehin.” Das habe auch mit einem gesellschaftlich generell defizitären Bild von alten Menschen zu tun. Mehr Wertschätzung sei angebracht, dann würde der Beruf auch für jüngere Menschen attraktiver: “Neben dem Herausfordernden ist es doch toll, sich um alte Menschen kümmern zu dürfen und von ihrer Lebenserfahrung zu profitieren.”