Experte über Kardinal Faulhabers Verhältnis zu Juden in NS-Zeit

Der Münchner Kardinal Michael von Faulhaber hatte nach Ansicht von Historiker Andreas Wirsching ein eher distanziertes Verhältnis zu seinen unter dem NS-Regime verfolgten jüdischen Mitbürgern. Faulhaber habe zwar schon vor 1933 als Judenfreund gegolten, sagte der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in einem am Wochenende veröffentlichten Gespräch mit dem „Neuen Ruhrwort“. „Wenn man aber genau hinschaut, das finde ich wichtig, dann hält sich Faulhabers Judenfreundschaft in recht engen Grenzen.“

Das alte Israel und das Alte Testament habe der Kardinal als wichtige Überlieferung für das Christentum gewertet. Für seine jüdischen Zeitgenossen setzte sich Faulhaber nach Wirschings Worten aber nur dann ein, „wenn es sich um sogenannte nichtarische Christen handelte, die nach der NS-Gesetzgebung natürlich als Juden galten, aber eben getaufte Christen waren“.

Die Taufe sei immer das Entscheidende für den Kirchenmann geblieben, betonte der Historiker. „Faulhaber war definitiv kein Rassist, aber man sollte ihn auch nicht umdrehen und sagen, er sei ein großer Held gewesen.“ Seit 2015 läuft eine kritische Edition der Tagebücher von Michael von Faulhaber (1869-1952), die dieser zwischen 1911 und 1952 führte. An dem Langzeit-Projekt ist unter anderen Einrichtungen das in München ansässige Institut für Zeitgeschichte (IfZ) beteiligt.

In den Tagebucheinträgen offenbare sich Faulhaber als äußerst vielschichtige Persönlichkeit, betonte IfZ-Direktor Wirsching in dem Interview des „Neuen Ruhrworts“. Der Kardinal sei ein bedeutender Prediger und intensiver Seelsorger gewesen. Darüber hinaus habe er im politischen Raum gewirkt und Kontakte zu einer Vielzahl von Personen unterhalten.

„Auffällig ist seine große Feindschaft gegenüber der Demokratie und gegenüber der Weimarer Republik im Besonderen, die für ihn für das Aufkommen des Bolschewismus und für den Sittenverfall, was immer man darunter genau versteht, steht und für ihn eine Staatsform und Regierungsweise ist, die sich von Gott abgewandt hat“, sagte Wirsching. „Insofern, war 1918 für ihn die viel tiefere Zäsur als 1933.“

Während der NS-Zeit habe der Münchner Kardinal wie andere führende Kirchenvertreter lange darauf gesetzt, dass man mit Adolf Hitler von gleich zu gleich verhandeln könne. Nach außen habe er sich als Taktiker präsentiert. Das gelte auch für die Enzyklika „Mit brennender Sorge“, in der Papst Pius XI. am Palmsonntag 1937 den Nationalsozialismus auf scharfe Weise verurteilte und für die Faulhaber den Entwurf verfasste.

„Was man feststellt, ist eine sehr weitgehende Selbstreferenzialität des Katholizismus beziehungsweise der Amtskirche“, so Wirsching. Zu den Protestanten etwa habe es kaum Kontakte gegeben. „Faulhaber agiert vollständig in diesem Subsystem Katholische Kirche.“ Das sei auf der einen Seite beeindruckend, weil es sich beim Katholizismus um ein sehr vielgestaltiges Gebilde handle. „Aber es ist auch frustrierend zu sehen, wie geradezu eine Blindheit entsteht gegenüber dem, was in der Welt passiert. Das ist aber die Schwäche beider christlichen Kirchen.“