Experte: Religion für Terroristen immer wichtiger

Das Thema Religion gewinnt einem Experten zufolge für Terroristen an Bedeutung. „Schon seit den 90er Jahren ist zu beobachten, dass im terroristischen Bereich ethnische oder nationalistische Aspekte in den Hintergrund treten und religiöse wichtiger werden“, sagte Peter Neumann der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ (Donnerstag) aus Würzburg. Der Terrorismus-Experte arbeitet am International Centre for the Study of Radicalisation am Londoner King’s College.

Neumann erklärte: „Man erinnere sich etwa an Bilder von Saddam Hussein im Irak oder auch an den Vater des jetzigen syrischen Präsidenten, seinen Vorgänger, Hafiz al-Assad. Die kamen ja beide ursprünglich aus einer vollkommen säkularen politischen Bewegung, der Baath-Partei. Trotzdem wurden damals dann Bilder von ihnen beim Beten und bei anderen religiösen Riten verbreitet. Das war sozusagen ein Signal an die arabische Straße: Wir wissen, was euch wichtig ist.“

Der religiöse Fokus sei auch für die palästinensische Hamas zentral, fügte Neumann hinzu. Aus deren Sicht gelte: „Der Feind ist nicht mehr nur irgendein Gegner, mit dem man irgendwann auch einmal verhandeln könnte. Der Feind ist – in manchen Konstellationen – Satan. Hier werden also die Trennlinien sehr scharf gezogen. Die Unterscheidung zwischen dem, was als ‚wahr‘ und was als ‚falsch‘ gilt, ist ganz klar. Und zwischen beiden Extrem-Polen kann es keine Kompromisse geben.“

Trotzdem dürfe man nicht vergessen, dass auch die Hamas einen pragmatischen Flügel habe. „Pragmatismus bedeutet hier eben nicht, dass die religiöse Überzeugung geringer ausgeprägt wäre. Er bezieht sich lediglich auf den Weg, wie das Ziel besser erreicht werden könnte. Und dieses Ziel heißt: die Vernichtung Israels.“

Der Experte führte aus: „Ein pragmatisches Argument war etwa: Wir brauchen erst einmal einen zehnjährigen Waffenstillstand, um unsere Kräfte wieder zu sammeln und schlagkräftig werden zu können. Solche taktischen Entscheidungen müssen bei der Hamas immer, und das ist auch ein Charakteristikum, religiös begründet werden. Zum Beispiel durch Bezugnahme auf bestimmte Koranstellen. Die Rhetorik hat also auch eine besondere Qualität.“