Experte kritisiert Genitalverstümmelung durch Gesundheitspersonal

Genitalverstümmelungen werden in afrikanischen Ländern laut der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung immer häufiger von medizinischem Personal vorgenommen. „Das ist ein besorgniserregender Trend, den wir in den Ländern beobachten, in denen wir tätig sind“, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Jan Kreutzberg, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Ich glaube nicht, dass die Ärzte, Krankenschwestern oder Hebammen das aus Überzeugung machen.“ Denn das Gesundheitspersonal habe den hippokratischen Eid geleistet, sich für das Wohlergehen der Patientinnen einzusetzen. „Das ist rein aus der Not geboren, um ein zusätzliches Einkommen zu generieren.“

Das Problem gebe es verstärkt seit der Corona-Pandemie, sagte der Leiter der DSW, die sich in Kenia, Tansania, Uganda und Äthiopien gegen Genitalverstümmelung einsetzt. „Es hängt vermutlich damit zusammen, dass die Patientenzahlen während der Pandemie stark abgenommen haben.“ Zwar handle es sich nicht ausschließlich um Klinikpersonal, aber viele Genitalverstümmelungen würden in den Hinterzimmern solcher Einrichtungen vorgenommen.

Auch wenn der Preis für den Eingriff im Vergleich zu traditionellen Beschneiderinnen höher liege, sei die Nachfrage da. „Es ist von den Eltern gewollt, weil es vermeintlich hygienischer und sicherer ist und das nötige Material vorhanden ist.“

Kreutzberg sieht die Strafverfolgung der Beteiligten als beste Möglichkeit, medizinische Fachkräfte davon abzubringen. „Und ich könnte mir vorstellen, dass das Gesundheitspersonal es sich zweimal überlegt, wenn man ihm droht, dass es die Approbation verliert.“ Zwar wisse er bislang von keinem Verfahren gegen Ärzte oder Pflegepersonal. Aber insgesamt nehme die Strafverfolgung wegen Genitalverstümmelung zu.

Mehr als 200 Millionen Frauen und Mädchen weltweit sind an ihren Genitalien verstümmelt. In mehr als 30 Ländern vor allem in Afrika halten Gemeinschaften an der gefährlichen Praxis fest, die von der Verletzung der Klitoris-Vorhaut bis hin zur teilweisen Entfernung der Schamlippen gehen kann – mit oft schwerwiegenden gesundheitlichen und psychischen Folgen, manchmal bis zum Tod der im Durchschnitt immer jünger werdenden Opfer.

Das beste Mittel dagegen ist nach Ansicht Kreutzbergs die Aufklärung. Dabei nehme die Stiftung Weltbevölkerung verstärkt die Männer in den Blick. „Zwar liegt das Thema traditionellerweise bei den Frauen, und meist nehmen Schamaninnen den Eingriff vor, aber die Entscheidungsbefugnis haben die Männer, sei es in der Familie oder in der Gemeinschaft.“

Viele Familien entschlössen sich aus finanzieller Not dazu, oft im Zusammenhang mit einer Frühverheiratung ihrer Töchter, sagte Kreutzberg. Denn der Brautpreis steige bei beschnittenen Mädchen. „Aber wenn den jungen Männern frühzeitig die Folgen klar sind, führt es bei vielen zu einem Umdenken und sie sagen, das will ich meiner Tochter nicht antun.“