Experte fordert Abschiebestopp für irakische Jesiden

Der Psychologe und Migrationsexperte Jan Ilhan Kizilhan wirft Deutschland vor, Jesiden und Jesidinnen trotz Lebensgefahr in den Irak abzuschieben. Die Mitglieder der religiösen Minderheit hätten in ihrer kurdischen Heimatregion keine Lebensperspektive, sagte Kizilhan der „Schwäbischen Zeitung“ (Dienstag). Frauen drohe bei einer Rückkehr sexualisierte Gewalt. In Flüchtlingscamps gebe es wegen Perspektivlosigkeit viele Suizide. Er forderte einen sofortigen Abschiebestopp.

„Ins heimische Shingal-Gebirge, aus dem die meisten der Jesiden stammen, können sie nicht zurückkehren. Milizen verschiedener Couleur, die vom Iran, vom Irak, von der Türkei und vielen anderen Akteuren gesteuert werden, kontrollieren diese Region. Regelmäßig greift die Türkei mit Drohnen an. Dort ist kein sicheres Leben möglich. Außerdem ist der IS noch an der syrisch-irakischen Grenze aktiv und verübt immer wieder Anschläge“, sagte Kizilhan. Er leitet in Dohuk in der Autonomen Region Kurdistan im Irak ein Hochschulinstitut für Psychologie und begleitet traumatisierte Jesiden. Zugleich arbeitet er an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Ab 2014 verfolgte und ermordete die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Nordirak Tausende Jesidinnen und Jesiden. Frauen wurden verschleppt und vergewaltigt. Der Bundestag anerkannte die Verbrechen als Völkermord. Deutschland hat inzwischen rund 220.000 Jesiden aufgenommen, das ist die weltweit größte Gemeinschaft außerhalb ihrer Heimatregion.