Evangelium ist Kommunikation

Was Gott für uns in Christus getan hat, wirkt erst dann, wenn es bei uns persönlich ankommt, meint die Theologin Uta Pohl-Patalong. Dafür braucht es die Inspiration des Heiligen Geistes

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Pfingsten gilt als das Fest der Kirche – allerdings ist in der Erzählung vom „Pfingstereignis“ in der Apostelgeschichte von „Kirche“ gar nicht die Rede. Erzählt wird von einem Kommunikationsereignis besonderer Art: Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und Sprache hören und verstehen das Evangelium und werden davon berührt. Dies geschieht, weil die Jüngerinnen und Jünger Jesu – erfüllt vom Heiligen Geist – so von Gott und seiner über den Tod hinausreichenden Liebe sprechen, dass die Menschen es in ihrer jeweiligen Sprache hören und verstehen. Das Evangelium überwindet Sprach- und Verstehensbarrieren und kommt bei Menschen an – die Kommunikation gelingt.

Genau das ist der Kern des Evangeliums: dass die gute Nachricht von Gottes Liebe und Zuwendung die Menschen betrifft und berührt. Denn das Evangelium ist keine theoretische Erkenntnis, die einfach „ausgerichtet“ werden kann. Es hat gerade zum Ziel, dass Menschen seine Bedeutung für sich und ihr Leben spüren. Nicht zuletzt Martin Luther hat das betont: „Denn ob Christus tausentmal für uns gegeben und gecreuzigt würde, were es alles umb sonst, wenn nicht das wort Gottes keme, und teylets aus und schencket mirs und spreche, das soll deyn seyn, nym hyn und habe dyrs.“ Was Gott für uns in Jesus Christus getan hat, ist nur dann wirkungsvoll, wenn es bei den Menschen ganz persönlich ankommt.

Das hat Konsequenzen für das Handeln der Kirche. Zu Recht gibt es die Tendenz, weniger von der „Verkündigung“ als von der „Kommunikation des Evangeliums“ zu sprechen. Denn anders als „Verkündigung“ setzt „Kommunikation“ immer voraus, dass es keine klare Rollenverteilung zwischen Redenden und Hörenden gibt. Bei jeder Art von Kommunikation geht es nicht um die Absicht, sondern darum, was beim Gegenüber ankommt – wer je Beziehungsgespräche geführt hat, weiß dies. Deswegen kann die Kirche nicht abstrakt die „gute Nachricht“ vertreten, sondern sie muss diese immer wieder neu in Kontakt mit den jeweiligen Menschen und ihren Fragen und Themen formulieren – in ihrer Sprache. Was dies jeweils bedeutet, kann nur ein Suchprozess sein, der niemals abgeschlossen ist.

Und noch etwas ist mit dem Wort „Kommunikation“ gegeben: Man kommuniziert nicht nur beabsichtigt, sondern auch unbewusst. Man kommuniziert nicht nur mit Worten, sondern auch mit Gesten, Symbolen, Ritualen, Atmosphären und nicht zuletzt mit Taten. Wenn man als Auftrag der Kirche die „Kommunikation des Evangeliums“ benennt, dann ist damit nicht ausschließlich und nicht einmal vorrangig die Predigt im sonntäglichen Gottesdienst gemeint. Selbstverständlich kann auch diese Menschen erreichen, bewegen und berühren. Ebenso gut kann dies aber die diakonische Arbeit, die Arbeit in der Kita, der Meditationsabend, Jugendevent, die interreligiöse Begegnung oder das Konzert sein. Manchmal ist sogar das Tun, sei es beabsichtigt oder unbeabsichtigt, wirkungsvoller als das Wort. Gerade heute, wo Menschen so vielfältige Lebens- und Glaubenswege gehen, würde die Kirche ihren Auftrag verfehlen, wenn sie die Kommunikation des Evangeliums nur auf wenigen Kanälen pflegen würde.

Vielleicht ist mit diesen Überlegungen Pfingsten dann doch das Fest der Kirche. Pfingsten ist das Fest, das ihr ihren Auftrag klar und bildlich vor Augen führt: das Evangelium mit sehr unterschiedlichen Menschen in sehr unterschiedlichen Sprachen und damit auf sehr unterschiedlichen Wegen kommunizieren. Dafür braucht die Kirche heute wie damals die Inspiration des Heiligen Geistes. Wie gut, dass der ihr Pfingsten immer wieder neu zugesagt wird.

Uta Pohl-Patalong ist Professorin für Praktische Theologie an der Universität Kiel.