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Ethiker Sautermeister: Kein Kulturkampf im Fall Brosius-Gersdorf

Im Streit um die Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf warnt der Ethiker Jochen Sautermeister davor, Kritik an der Juristin als radikal oder reaktionär abzutun. Gleichzeitig rügt er die aufgeheizte Debatte.

Das Mitglied des Deutschen Ethikrats, Jochen Sautermeister, warnt davor, die Debatte um die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zum neuen Kulturkampf zu stilisieren. Nachdem sich CDU/CSU und die katholische Kirche bereits unter der Ampel gegen eine Reform des Paragrafen 218 eingesetzt hatten, sei es nicht verwunderlich, dass die Personalie Brosius-Gersdorf nun bei diesen Akteuren auf Vorbehalte stoße, schreibt der Bonner Moraltheologe in einem Gastbeitrag für den “Kölner Stadt-Anzeiger” (Freitag). Die Kritik an der Kandidatin dürfe daher nicht einfach “als radikale Revolte rechtskonservativer und rechtskatholischer Kreise diffamiert werden”.

Brosius-Gersdorf war von der SPD als Richterin für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen worden. Die für vergangene Woche geplante Wahl kam nicht zustande, nachdem in der Unionsfraktion Vorbehalte gegen die Juristin laut geworden waren. Im Zentrum der Kritik stand unter anderem ein Satz der Verfassungsrechtlerin in einem Kommissionsbericht zum Thema Abtreibung aus dem vergangenen Jahr. Darin schreibt sie: “Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.”

Gegen die Vorwürfe setzte sich Brosius-Gersdorf jedoch zur Wehr. In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz sagte die Juristin: “Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt.” Falsch sei auch, “dass ich gesagt haben soll oder geschrieben haben soll, dass der Embryo kein Lebensrecht hat”.

Sautermeister kritisierte die aufgeheizte Debatte, in der auch versucht worden sei, die Wahl der SPD-Kandidatin unmöglich zu machen. Radikale Lebensschützer und rechtskonservative Gruppen hätten die Juristin mitunter diffamiert. Diese Kreise dürften allerdings nicht mit CDU/CSU und Kirche allgemein gleichgesetzt werden.

Christdemokraten und Kirche vertreten nach Ansicht Sautermeisters nur ihre Grundwerte, nach denen Lebensschutz und Menschenwürde für christliche Parteien nicht zur Disposition stünden. “Das ist weder unvernünftig noch radikal, sondern die Konsequenz einer politischen Kontroverse, bei der es um nichts weniger als um die Auslegung der Menschenwürde geht und dabei um die Bedeutung und Ausgestaltung des Lebensschutzes”, so der Theologe.