Eschede-Unglück: Selbsthilfe fordert Bahn zur Pflege der Erinnerung auf

Heinrich Löwen verlor am 3. Juni 1998 Frau und Tochter, als sie beim schlimmsten Zugunfall der Geschichte der Bundesrepublik ums Leben kamen. Von der Bahn erwartet er eine aktive Erinnerungskultur.

Am 3. Juni 1998 entgleiste bei Eschede der ICE Wilhelm Conrad Röntgen, 101 Menschen kamen ums Leben
Am 3. Juni 1998 entgleiste bei Eschede der ICE Wilhelm Conrad Röntgen, 101 Menschen kamen ums LebenImago / localpic

Ein Vierteljahrhundert nach dem ICE-Unglück im niedersächsischen Eschede fordert der Hinterbliebene Heinrich Löwen die Deutsche Bahn auf, die Erinnerung an die Zugkatastrophe dauerhaft zu pflegen. Löwen wird als Vertreter der Selbsthilfe Eschede bei einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag am 3. Juni in Eschede sprechen. Er verlor bei dem schwersten Zugunglück in der deutschen Nachkriegsgeschichte Frau und Tochter. „Die Toten sollen nicht vergessen werden“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Ihm gehe es auch um eine generelle Mahnung, erläuterte Löwen, der zum Jahrestag ein Buch über das Unglück und dessen Folgen für Hinterbliebene und Überlebende geschrieben hat. „Menschen dürfen nicht einer Technik ausgeliefert werden, die nicht sicher ist.“ Das Zugunglück, dessen Ursache ein gebrochener Radreifen war, hätte vermieden werden können. „Das Leben und die Gesundheit von Fahrgästen und Personal haben oberste Priorität vor wirtschaftlichen Interessen und technischen Rekordleistungen.“

Das Unglück wirkt bis heute

Als der ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“ am 3. Juni 1998 entgleiste und gegen eine Bahnbrücke prallte, kamen 101 Menschen ums Leben, mehr als 100 wurden teils schwer verletzt. In Eschede erinnern heute Gedenktafeln mit ihren Namen und 101 Kirschbäume an den Bahngleisen an die Toten. „Ich denke, dass die Gedenkstätte längerfristig von der Bahn in Ehren gehalten werden muss und sie auch die Tradition der Gedenktage weiterführen sollte“, sagte Löwen. Es gebe immer weniger unmittelbar Betroffene.

„Die Bahn muss sich als Verursacherin des Unfalls dem Thema stellen und Verantwortung übernehmen. Sie ist dabei nicht nur ihren Fahrgästen verpflichtet, sondern auch ihren Mitarbeitern“, schreibt er dazu in seinem Buch, das mit Unterstützung der Bahn erschienen ist. Er schildert darin, wie über lange Zeit der Umgang der Bahn mit Betroffenen, die juristische Aufarbeitung und ein Streit um die Gestaltung der Gedenkstätte für zusätzliche Verletzungen gesorgt hatten.

Seit der damalige Bahnchef Rüdiger Grube beim 15. Jahrestag des Unglücks öffentlich um Entschuldigung gebeten habe, sei der Umgang versöhnlicher. Doch für die damals Verletzten und die Hinterbliebenen wirke das Unglück bis heute nach. „Mir erzählen manche, dass sie mit zunehmendem Alter den Verlust noch stärker empfinden“, sagte Löwen. „Manche sind wohl auch früher gestorben, als sie es sonst wären. Die Lebensqualität mancher hat massiv gelitten, sie sind gebrechlich geworden und einige auch depressiv.“