Erneuter Einbruch bei Organspenden

Schon seit Jahren zeigt der Trend nach unten. Doch 2022 verzeichnen Ärzte einen starken Rückgang bei Organspenden. Neben Corona und Fachkräftemangel ist ein anderes Problem die Hauptursache.

2022 spendeten nur 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe
2022 spendeten nur 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organeimago images/localpic

Mediziner schlagen Alarm. Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen. Eine schlechte Nachricht für die 8.500 schwerkranken Patienten auf der Warteliste. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) zeigt sich sehr besorgt über eine dramatische Entwicklung.

Für 2022 verzeichnet die DSO ein Minus von 6,9 Prozent bei der Zahl der Spender. 869 Menschen spendeten nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe, 64 weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch die Summe der entnommenen Organe, die für eine Transplantation an die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet werden konnten, sank auf 2.662 (Vorjahreszeitraum: 2.905). Damit ging die Zahl der postmortal entnommenen Organe um 8,4 Prozent im Vergleich zu 2021 zurück.

Probleme durch Corona

Der Einbruch kommt einigermaßen überraschend. Denn die Bilanz für 2021 hatte die Zuversicht ausgelöst, dass Deutschland vergleichsweise gut durch die Corona-Zeit kommt. Die Zahl der Organspenden war – anders als in anderen europäischen Ländern – stabil und auf dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 geblieben.

Dann allerdings gingen die Zahlen im ersten Quartal 2022 um beinahe 30 Prozent zurück. Zum einen, weil Corona-positive Spender zunächst von einer möglichen Spende ausgeschlossen wurden – bis mehrere Studien das für nicht nötig befanden. Die Zahlen stabilisierten sich auf niedrigem Niveau.

Als weitere Ursachen nennt der Medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, die durch die Omikron-Variante verschärfte Personalsituation und den generellen Fachkräftemangel in den Kliniken. Gerade für kleinere Häuser sei das eine zusätzliche Herausforderung. Mit dem zunehmenden Alter der Spender spielten aber auch medizinische Ausschlussgründe eine immer größere Rolle.

Wunsch des Verstorbenen oft unbekannt

Als häufigsten Grund, warum eine Organspende nicht erfolgt, nennt Rahmel aber die Haltung der Angehörigen. 2022 war bei der Hälfte der möglichen Organspenden, die nicht realisiert werden konnten, ihre Zurückhaltung der Grund. Rahmel beklagte, dass der Wille eines möglichen Organspenders oft gar nicht dokumentiert sei. „Angehörige entscheiden sich aus Unsicherheit aber häufig dagegen, da der Wille des Verstobenen nicht bekannt ist.“

Es sei auffällig, dass die Ablehnung der Organspende in weniger als einem Viertel der Fälle auf einem bekannten schriftlichen (7,3 Prozent) oder mündlichen (16,3 Prozent) Willen der Verstorbenen basierte, sagte Rahmel. In 42 Prozent sei die Ablehnung aufgrund des vermuteten Willens der Verstorbenen erfolgt, 35 Prozent der Ablehnungen beruhten auf der Einschätzung der Angehörigen nach ihren eigenen Wertvorstellungen.

Zur Organspende braucht es eine Zustimmung mit Organspendeausweis
Zur Organspende braucht es eine Zustimmung mit OrganspendeausweisIMAGO / suedraumfoto

Erneut sprach sich Rahmel für eine rechtliche Kehrtwende und die Einführung einer Widerspruchsregelung in Deutschland aus. Dabei ist jeder Mensch potenzieller Organspender, außer er hat ausdrücklich widersprochen. Derzeit kommt in Deutschland nur als Organspender in Frage, wer ausdrücklich zugestimmt hat. 2020 war die Einführung einer Widerspruchslösung im Bundestag gescheitert.

Die DSO liegt damit auf einer Linie mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der im vergangenen Juni einen neuen Anlauf für eine Widerspruchslösung gefordert hatte. Das sieht die Deutsche Stiftung Patientenschutz anders. Der Bundestag habe 2020 erneut alle ethischen Argumente intensiv diskutiert und mit Nein gestimmt, sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Brysch wirft Lauterbach vor, die damals vom Bundestag beschlossenen Initiativen zur Förderung der Organspende nicht umgesetzt zu haben. So sollte zum März 2022 ein Online-Organspenderegister die Arbeit aufnehmen. Doch der Start verzögert sich weiter – mindestens bis Ende 2023 oder zum ersten Quartal 2024.