Erneut weniger Seehunde im Wattenmeer

Die Zahl der Seehunde in der Nordsee hat das dritte Jahr in Folge abgenommen. Insgesamt zählten Expertinnen und Experten während des Fellwechsels im August im Wattenmeer zwischen den Niederlanden, Deutschland und Dänemark 22.621 Seehunde, wie das Wattenmeer-Sekretariat mit Sitz in Wilhelmshaven am Mittwoch mitteilte. Das sei die niedrigste Zahl seit 2010, vier Prozent weniger als im Vorjahr.

Die Ursachen für diesen negativen Trend im Gesamtbestand seien noch nicht eindeutig identifiziert, hieß es. Es gibt aber auch eine gute Nachricht, denn die Zählung der Jungtiere ergab den Angaben zufolge einen Anstieg um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Die Entwicklung der nächsten Jahre wird zeigen, ob der Jungtierbestand dem Trend der Gesamtzahlen folgt und abnehmen wird.“

Die Tiere werden jährlich während der Fortpflanzungszeit im Juni und der Zeit des Fellwechsels im August von Flugzeugen aus gezählt. Im Juni wurden demnach 9.334 Jungtiere registriert, 820 mehr als im Vorjahr. Der Gesamtbestand sei trotzdem in allen Gebieten zurückgegangen. „Ausnahmen sind Niedersachsen und Hamburg, wo ein Anstieg um 17 Prozent auf 5.639 Tiere im Vergleich zu 2022 verzeichnet wurde.“

In Dänemark sank die Zahl der Seehunde um 19 Prozent auf 2.268 Tiere. In Schleswig-Holstein wurden 7.936 Tiere gezählt, was einem Rückgang von 5 Prozent gegenüber 2022 entspricht. In den Niederlanden wurden 6.706 Seehunde gezählt, 11 Prozent weniger als 2022. Auf Helgoland wurden 72 Tiere gesehen. Vergangenes Jahr waren es noch 98. Das entspricht einem Minus von 27 Prozent.

„Angesichts dieses anhaltenden Rückgangs der Zahlen können wir mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass der Bestand abnimmt“, sagte Anders Galatius von der Universität im dänischen Aarhus, Hauptautor des Berichts. Die höhere Sterblichkeit sowie Verhaltensänderungen könnten durch verschiedene Faktoren beeinflusst sein. Dazu zählten möglicherweise eine Verschlechterung des Lebensraums und Störungen im Wattenmeer oder vor der Küste.

Galatius nannte in diesem Zusammenhang zunehmende menschliche Einflüsse wie Fischerei, Schifffahrt oder Windkraftanlagen sowie die Nahrungskonkurrenz mit der Fischerei oder mit anderen Meeressäugetieren. Auch die Sterblichkeit als Beifang der Fischerei oder als Beute für andere Tiere könnten seiner Einschätzung nach eine Rolle spielen. Um das zu klären, seien weitere Untersuchungen erforderlich.

Seehunde sind neben den Kegelrobben die größten Meeresräuber im Wattenmeer. Die Region gilt als das größte Gezeitengebiet der Welt, in dem natürliche Prozesse ungestört ablaufen können. Es erstreckt sich über 500 Kilometer entlang der Küsten Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande. Aufgrund seiner weltweit einzigartigen geologischen und ökologischen Werte zeichnete die Unesco 2009 das Wattenmeer als Weltnaturerbe aus.