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Ermordung Frère Rogers sendet Schockwellen zum Kölner Weltjugendtag

In Kölns zweitgrößter Kirche brummt es. Bald soll in Sankt Agnes das große Taizé-Gebet zum Weltjugendtag stattfinden. Doch dann platzt die Todesnachricht herein. Innenstadtpfarrer Dominik Meiering erinnert sich.

Vor 20 Jahren fand in Köln der katholische Weltjugendtag (WJT) mit dem neu gewählten Papst Benedikt XVI. statt. Mit dabei war auch eine Gruppe von Brüdern der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé. Für den Abend des 16. August 2005 war ein großes Taizé-Gebet mit Tausenden Jugendlichen in der Kölner Innenstadtkirche Sankt Agnes geplant, immerhin der zweitgrößten Kirche Kölns. Mitten hinein platzte die Nachricht von der Ermordung des Taizé-Gründers, Frère Roger. Eine geistig verwirrte Anhängerin hatte den 90-Jährigen beim Abendgebet in Taizé niedergestochen.

Der heutige Leitende Pfarrer der Kölner Innenstadtgemeinden und Kölner Domkapitular Dominik Meiering war damals Kaplan dort und Taizé-Beauftragter des WJT. Der 55-Jährige erinnert sich im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Das war natürlich ein Riesenschock. Wir waren so froh gewesen, dass die Taizé-Brüder beim Weltjugendtag zu uns nach Sankt Agnes kamen.”

Doch dann kam Frère Alois, der designierte Nachfolger Frère Rogers, der für die Dauer des WJT bei Meiering wohnte, zu ihm und erzählte, was geschehen war. “Und als wir noch planten, wie wir das am besten auffangen, wussten schon die ersten Bescheid”, so Meiering. Sie beschlossen also, alle Teilnehmer zu informieren – aber sonst nicht viel am Abendgebet zu ändern.

Frère Alois ging nach vorn und überbrachte die Botschaft vom Tod des vielverehrten Gründers – in mehreren Sprachen. Meiering: “Natürlich weinten manche, und die Betroffenheit war groß – aber auch die Fassung. Wir hatten vorne ein freies Bänkchen aufgestellt, mit schwarzem Tuch darauf, um zu zeigen: In unserer Mitte fehlt einer.”

Es wurde ein schönes Gebet – “so als hätten alle begriffen: Wir bleiben beisammen und streben nach dem, was Frère Roger gewollt hat”, erinnert sich der Kölner Pfarrer: Gemeinschaft, Solidarität und Einfachheit. Aus einem Lobgebet sei an dem Abend “ein Dankgebet geworden für das Leben und das Zeugnis von Frère Roger”.

Im Hintergrund lief unterdessen eine Menge ab: Presseanfragen, Kondolenzbesuche. Plötzlich war Sankt Agnes ein Hotspot des Weltjugendtages. Tags wie nachts war nun jemand abgestellt, um ansprechbar zu sein. Meiering: “Die Menschen hatten Fragen zu dem Geschehenen und wollten ihre Trauer irgendwo hintragen.” Es wurde ein Kondolenzbuch ausgelegt, mit am Ende vielen bewegenden Einträgen. Sogar Bundesminister trugen sich dort ein; und als einer der ersten: der damalige Kölner Kardinal Joachim Meisner.

Frère Alois musste noch am Abend abreisen, um möglichst bald bei der Gemeinschaft in Taizé zu sein. Der deutsche Katholik hatte schon einige Jahre zuvor die Aufgaben des Priors von dem greisen Frère Roger übernommen. Aber, betont Meiering, “die anderen Brüder, die beim Weltjugendtag in Köln und Bonn waren, sind dort geblieben, um ihrerseits ein wichtiges Zeichen zu setzen: Es geht weiter; wir gehen nicht fort.” Benedikt XVI. empfing die Brüder von Taizé nach dem Abschlussgottesdienst des WJT persönlich und sprach ihnen sein Beileid aus.

Über den Geist von Taizé sagt der Kölner Innenstadtpfarrer, der selbst eine sehr lange Bindung zu dem Hügel in Burgund hat: “Meine persönliche Beobachtung ist: Es gibt sehr viele Menschen, die in Taizé unmittelbar und oft zum ersten Mal Christus begegnen – obwohl sie mit und in der Kirche aufgewachsen sind.” Meiering nennt das eine Bekehrung; “bei vielen geht dort ein Licht auf; es fällt ein Groschen, und Christus scheint im eigenen Leben auf”. Ein Jugendlicher, der bei ihm in der Gemeinde aktiv war, sagte ihm einmal: “Da habe ich das erste Mal kapiert, was beten ist und wie beten geht.”

Seine eigene Taizé-Vergangenheit – Meiering war auch als Gast zu den dortigen ökumenischen Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Frère Roger im Sommer 2015 eingeladen – fließt bis heute stark in seine Arbeit als Innenstadtpfarrer ein. Er sieht es als wichtigste Aufgabe von Kirche an, “Orte lebendigen Glaubens zu schaffen”. Das Jugendpastorale Zentrum CRUX in der Kölner Südstadt biete einmal im Monat ein Taizé-Gebet an. Und immer am ersten Sonntag im November findet in Sankt Agnes eine große Nacht der Lichter mit vielen tausend Teilnehmern statt.

In Taizé habe er lernen können, so Meiering, “was eine lebendige Kirche ausmacht und was es dafür braucht: Offenheit, Gemeinschaft, Christusnähe, den wachen Blick für den anderen”. Diese Vergangenheit und Erfahrung bringe er von dort mit. “Und manchmal erzähle ich den Leuten einfach davon. Auch das kann ein Denkanstoß sein.”