„Erheben wir bitte laut unsere Stimme!“
Die Hannoveraner Marktkirche blieb wegen der Ansteckungsgefahr leer: Unter freiem Himmel hat Rainer Müller-Brandes sein Amt als Stadtsuperintendent angetreten – mit einer klaren Botschaft in Sachen Corona.
Hannover. Mit einem Gottesdienst unter freiem Himmel ist der neue Stadtsuperintendent von Hannover, Rainer Müller-Brandes (51), in sein Amt eingeführt worden. Vor rund 400 Besuchern wurde er auf dem Platz vor der zentralen Marktkirche von Regionalbischöfin Petra Bahr eingesegnet. Müller-Brandes steht künftig an der Spitze des Stadtkirchenverbandes Hannover, zu dem 60 Gemeinden mit rund 180.000 Mitgliedern gehören. Zu den Festgästen gehörten neben zahlreichen Vertretern aus Kirche und Gesellschaft auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder (76, SPD). Er ist Ehrenbürger von Hannover.
Müller-Brandes verband seine Einführung mit einem eindringlichen Appell für mehr Mitmenschlichkeit in der Corona-Krise. „Lassen wir es bitte nie wieder zu, dass Menschen einsam in Pflegeheimen sterben“, sagte er. Die Kirche dürfe in der Krise nicht nur nett sein, sondern müsse kraftvoll ihre Botschaft deutlich machen: „Erheben wir bitte in Zukunft laut unsere Stimme, wenn Kirchen zugemacht werden und Baumärkte an Ostern wieder auf, wie das geschehen ist.“
Fundament der Kirche bleibt
Corona verändere die Menschen, sagte Müller-Brandes. Viele besännen sich jetzt auf die grundlegenden Dinge im Leben zurück. Das Fundament der Kirche aber, der Glaube an Gott, bleibe bestehen. Darauf könnten Christinnen und Christen vertrauen, und daher müssten sie keine Angst in der Krise haben. Die Zuhörer quittierten die Predigt mit Applaus.
Müller-Brandes hatte Anfang Oktober die Nachfolge von Hans-Martin Heinemann (67) angetreten, der im September 2019 in den Ruhestand gegangen war. Er war im Juni vom evangelischen Stadtkirchentag in das Leitungsamt gewählt worden. Zuvor war er acht Jahre lang Diakoniepastor und Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Hannover. Der Theologe ist auch Mitherausgeber des Straßenmagazins „Asphalt“. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Vom Regen unterbrochen
Wegen des Infektionsgefahr durch das Coronavirus war die Einführungsfeier auf den Platz vor der Kirche verlegt worden. Der Gottesdienst wurde zeitweise durch Regen unterbrochen, der Stadtkirchenverband hatte für alle Gäste jedoch vorsorglich blaue, gelbe, rote, grüne und violette Schirme ausgelegt. Regionalbischöfin Bahr dankte in ihrer Einführungsansprache dem stellvertretenden Stadtsuperintendenten Thomas Höflich, der während der Vakanzzeit ein Jahr lang die Geschäfte des Stadtkirchenverbandes geleitet hatte.
Das Amt des Stadtsuperintendenten von Hannover ist einzigartig in der hannoverschen Landeskirche, weil dem Amtsträger zwei weitere Superintendenten und eine Superintendentin für Leitungsaufgaben zur Seite stehen. Der Stadtkirchenverband ist der mit Abstand größte Kirchenkreis in der Landeskirche. Ihm gehören Gemeinden in Hannover, Garbsen und Seelze an. (epd)