Zoff um das Erbe kommt in den besten Familien vor. Oft liegt dies an falschen Erwartungen und ungeklärten Emotionen. Ein Psychologe erklärt, wie sich Konflikte frühzeitig vorbeugen lässt.
Erbstreitigkeiten können Beziehungen in Familien “für immer vergiften”: Das beobachtet der Psychologe Wolfgang Schmidbauer. Sinnvoller wäre es, “sich früh von der Idee zu verabschieden, dass wir ein Recht auf ein Erbe haben”, sagte er im Interview der “Zeit”-Beilage “Christ & Welt” (Donnerstag). Es handle sich vielmehr um ein Geschenk, und es sei “nur menschlich, wenn einer oder eine mehr bekommt. Etwa wenn es in bäuerlichen Familien und die Weitergabe eines Hofs geht. Da sind die Eltern oft sehr überfordert.”
So lange die Eltern noch lebten, könnten Kinder daran glauben, dass alle gleich geliebt und gerecht behandelt würden. “Das ist aber oft nicht der Fall”, betonte der Autor, dessen Buch “Die Erstgeborenen” im Herbst erschienen ist. Insofern komme der Erbfall einer “Stunde der Wahrheit” gleich.
Wenig bleibe so im Gedächtnis wie “erlebte Ungerechtigkeit und unterdrückte Rachewünsche”, fügte Schmidbauer hinzu. Wenn die Eltern erst verstorben seien, sei zudem ihnen gegenüber keine Revanche mehr möglich – gegenüber Geschwistern schon. Man könne jedoch auch lernen, Unterschiede “ein bisschen ironisch zu sehen” und “schöne, große Geborgenheit aus der Wiederholung alter Gefühle” wachsen zu lassen. In vielen Fällen lasse sich frühere Nähe jederzeit zwischen Schwestern oder Brüdern neu beleben.
Auch gebe es viele Eltern, die sich für Konflikte zwischen ihren Kindern interessierten und sich freuten, wenn diese zusammenhielten. Darüber hinaus reiche es, “wenn man das Negative unterlässt”, erklärte der Experte. “Wenn man liebevoll und wertschätzend mit dem anderen umgeht und ihn nicht kritisiert und schlechtmacht. Wenn ich anfange, mich über eine schlechte Beziehung zu Bruder oder Schwester zu beklagen, die sich nicht genug für mich interessieren, wird der Kontakt nur schlechter. Wenn ich hingegen glaube, auch wenn ich meine Geschwister selten sehe, haben wir eine wichtige Beziehung, dann ist das eine gute Voraussetzung.”