Drama um eine Frau, die mit drei Männern verheiratet ist und sich auf den Weg durch das Himalaya-Gebirge macht, um ihren abwesenden Haupt-Ehemann über ihre Schwangerschaft zu informieren.
Pema (Thinley Lhamo) lebt im nepalesischen Himalaya in einer der höchstgelegenen Siedlungen der Welt. Die temperamentvolle Frau heiratet – nicht einen Mann, sondern gleich drei. Die Polyandrie, die Vielmännerei, bei der eine Frau mehrere Brüder einer Familie ehelicht, hat hier Tradition. Sie bringt soziale und wirtschaftliche Vorteile. Die Arbeitskraft der Familie wird gestärkt, das wenige Ackerland nicht in immer kleinere Stücke geteilt. Zudem ergibt sich daraus auch eine Art natürlicher Geburtenkontrolle.
Der Filmtitel “Shambhala” verweist auf ein im tibetischen Buddhismus bekanntes mythisches Königreich. Filmemacher Min Bahadur Bham erzählt in epischer Bedächtigkeit, wie sich Pema für die Hochzeit einkleidet, von ihrem Elternhaus verabschiedet und in die nächste Siedlung zieht. Die Hochzeitszeremonie wird vom Rinpoche (Loten Namling) durchgeführt, dem Vorsteher eines nahegelegenen buddhistischen Klosters.
Dort lebt Pemas zweiter Mann Karma (Sonam Topden) als Mönch. Der erste und von Pema bevorzugte Mann Tashi (Tenzing Dalha) ist auf dem Hof der Familie geblieben, ebenso wie Dawa (Karma Wangyal Gurung), der dritte Bruder. Dawa ist noch Schüler und träumt davon, Pilot zu werden. Schon früh zeigt sich daran, wie sich auch in abgelegenen Regionen moderne Errungenschaften, traditionelle Lebensweise, Religion und Mythen miteinander vermischen.
Nach der Hochzeit erlebt Pema mit Tashi und Dawa einige unbeschwerte Wochen. Doch dann begibt sich Tashi mit anderen Männern aus dem Dorf und einem Pulk von Yaks auf eine mehrwöchige Handelsreise nach Lhasa. Pema bleibt mit Dawa allein zurück und lädt einige Tage später dessen Lehrer Ram Sir (Karma Shakya) zu sich ein, um mit ihm über Dawas schulische Leistungen zu sprechen. Es wird ein lustiger Abend, bei dem viel Alkohol fließt.
Als Pema am nächsten Morgen ihren Gast schnarchend vor ihrem Haus findet, packt sie den sturzbetrunkenen Mann auf ihr Pferd und führt ihn nach Hause. Das bleibt nicht unbeobachtet. Als Pema einige Wochen später sichtbar schwanger ist, zerreißen sich die Menschen das Maul. Pema beschließt, ihren Mann selbst über das Vorgefallene zu informieren, und reist ihm entgegen, um ihm ihre Liebe und Reinheit zu beweisen.
Doch die Gerüchte verbreiten sich auch in abgelegenen Regionen blitzschnell. Als Pema unterwegs erfährt, dass Tashi nicht mit den anderen nach Hause zurückgekehrt ist, wandelt sich ihre Reise immer mehr zur Suche nach sich selbst; nach dem, was sie kann, wer sie ist und was ihre Aufgabe sein könnte.
Sie schickt Karma, der sie zunächst begleitet hat, ins Kloster zurück. Er ist ihr ans Herz gewachsen, weil sie seine Gelassenheit, Sanftmut und Lebensklugheit rühren. Doch sie will allein sein: Als dann zwischen den verschneiten Gipfeln plötzlich das bedrohliche Heulen von Wölfen erklingt, ist ihr Pferd Pemas einziger Begleiter.
“Shambhala” wurde an Originalschauplätzen in Höhen bis zu 6.000 Metern gedreht. Es gab keine Elektrizität und der geringe Sauerstoffgehalt machte dem Team zu schaffen. Doch die Strapazen haben sich gelohnt: “Shambhala” taucht tief in die Landschaft und die Natur des Himalaya ein. Die Berge und Täler, Bäche, Steine, Felsen und Pflanzen sind “lebendige” Teile der Erzählung.
Der Film lebt von seinen beeindruckenden, zum Teil sensationell prächtigen Aufnahmen. Bham ist ein sehr sorgfältiger Beobachter und bedächtiger Erzähler. Die Gefühle der Figuren zeigen sich in kleinen Gesten; die Story entwickelt sich anhand alltäglicher Handlungen und Begebenheiten. Das Fortschreiten der Zeit misst sich weniger am Wachsen von Pemas Bauch als an einem gelben Pullover, den sie im Laufe ihrer Reise strickt.
Zudem verzichtet Bham auf jede dramatische Übersteigerung, was den Film aus dem von Hektik und Effekthascherei geprägten Strom filmischer Erzeugnisse herausragen lässt. Doch es lohnt sich, sich auf “Shambhala” und seine innere Geruhsamkeit einzulassen. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, dass Rinpoche ein Titel ist, der vorwiegend an Menschen vergeben wird, die als Wiedergeburt eines früheren Meisters anerkannt werden. Erst dann versteht man nämlich, was Karma während der Reise zu Pema sagt: dass nämlich die Frage nach der biologischen Vaterschaft belanglos sei, weil sich das wahre Wunder des Lebens erst mit der Geburt offenbare. Das wird zum eigentlichen Schlüssel dieses wunderschönen Films, der weniger über weibliche Emanzipation als vielmehr von der Kunst des (Zusammen-)Lebens erzählt.