Entschleunigen mit leerem Einkaufswagen

Ende November beginnt die Konsumzeit des Jahres. Eingeläutet wird die Saison der vorweihnachtlichen Einkäufe inzwischen durch den aus den USA stammenden „Black Friday“ – dem vierten Freitag im November, an dem Einzelhandel und Internetshops mit großen Rabattaktionen zum Geldausgeben animieren. Den Gegenakzent setzen Konsumkritiker und Umweltschützer: Sie erklären den Samstag danach zum „Kauf-nix-Tag“.

Auch diese Kampagne stammt aus Nordamerika. Schon 1992 rief der kanadische Künstler Ted Dave den „Buy Nothing Day“ („Kauf-nix-Tag“) aus, unterstützt von der Werbeagentur Adbusters. Die Agentur hatte sogar den Mut, einen Werbespot gegen das übermäßige Kaufen anzufertigen, der dann von fast allen TV-Stationen aus Sorge um andere Werbekunden abgelehnt wurde. Lediglich der Nachrichtenkanal CNN und ein paar Lokalsender hatten die Größe, den konsumkritischen Clip auszustrahlen.

André Witthöft-Mühlmann, Umweltbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden, findet die Idee der Kampagne großartig. Sie setze nicht nur einen Akzent gegen einen zerstörerischen Konsum, sondern könne auch ein Beitrag zur Entschleunigung sein, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er zieht eine Parallele zum kirchlichen „Klimafasten“, bei dem Menschen in den 40 Tagen vor Ostern ihr Kaufverhalten kritisch unter die Lupe nehmen.

Ähnlich sieht es Astrid Hake vom Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit in Hamburg. Die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde seien in sechs von neun Bereichen bereits überschritten, vor allem Klimawandel und eine schwindende Biodiversität gefährdeten die Zukunft. Menschen müssten sich bewusst machen, welche Konsequenzen ihr Konsum habe.

Hake bezweifelt, dass es Verzicht bedeutet, wenn man weniger einkauft. Würde ein neuer Pullover im Jahr reichen, oder müssen es wirklich mehrere sein, fragt sie. Gleichzeitig hebt sie hervor, dass die Verantwortung für ein umweltgerechtes Produzieren nicht beim Konsumenten allein liege. Es brauche politische Entscheidungen, damit nachhaltige Produkte preiswerter werden. Außerdem habe die Forschung gezeigt, dass noch mehr materieller Wohlstand nicht glücklicher mache.

Die Teilnehmer am Kauf-nix-Tag haben sich in der Vergangenheit nicht mit einem stillen Konsumboykott begnügt. Begleitet wurde der Tag mit Demonstrationen, etwa dem öffentlichen Zerschneiden von Kreditkarten, dem Verteilen von Flyern oder einem gemeinsamen Gruppenschieben von leeren Einkaufswägen durch Geschäfte. In Deutschland ist von größeren Kampagnen in diesem Jahr aber nichts bekannt. Nicht einmal die Globalisierungskritiker von „attac“, die vor 20 Jahren den „Kauf-nix-Tag“ im Land initiierten, bewerben ihn heute noch groß auf ihrer Internetseite.

Die Deutsche Umweltstiftung hatte vor vier Jahren eine zweimonatige #kaufnix-Kampagne gestartet. Auch hier ging es darum, unbedachten Konsum und die Vorstellung von unbegrenztem Wachstum infrage zu stellen. Auf der Internetseite widerspricht der Wirtschaftspsychologe Ingo Hamm dem Verzicht-Gedanken und erläutert: „Ich muss mein Leben nicht komplett umkrempeln, sondern ich vermeide einfach ein ‚immer mehr‘ und ‚immer weiter‘ und somit auch in mancher Hinsicht nicht nur diesen stetigen oder wachsenden Konsum, sondern vielleicht auch den Wettbewerb.“ Mehr Genügsamkeit helfe, nicht mehr mit den Einkäufen anderer konkurrieren zu müssen.

Badens kirchlicher Umweltbeauftragter Witthöft-Mühlmann sieht indessen noch eine kritische Seite der Kampagne. Für arme Teile der Gesellschaft könnte die Aktion fast dekadent wirken. „Es gibt leider Menschen, die haben dauernd einen ‚Kauf-nix-Tag’“, sagt er. Auch das sollten sich Konsumenten bewusst machen, wenn sie ihre Einkaufstaschen füllen.