Engagiert für den Weltgebetstag
Von ihrem Heimatland Suriname erzählt Judith Dors Frauen im Norden zur Vorbereitung auf den Weltgebetstag 2018. Als Länderreferentin möchte sie vom Zauber des Landes berichten.
Kiel/Hamburg. „Ich bin im Paradies geboren“, sagt Judith Dors. „Und das kann mir niemand nehmen.“ Ihr Paradies ist Suriname. Dort, wo die köstlichsten süßen Früchte wachsen. Dort, wo Menschen verschiedenster Kulturen friedlich zusammenleben. „Immer weht der Wind in Suriname“, sagt Dors. „Das Wort ‚Wind‘ bedeutet Energie. Alles, was wir machen, ist Energie.“
Suriname ist das kleinste Land Südamerikas. Es ist Thema des diesjährigen Weltgebetstags. Judith Dors reist deswegen als Länderexpertin zu Vorbereitungswerkstätten in Hamburg und Schleswig-Holstein, um von Land und Leuten zu erzählen.
Wird sie dann nach ihrem Alter gefragt, verwirrt sie ihr Publikum manchmal. Denn Judith Dors kam zwar als neuntes von zehn Kindern 1969 in Suriname zur Welt – ihr Alter spiele jedoch keine Rolle. Manchmal sagt sie deswegen, dass sie 2000 Jahre alt sei. „Ich fühle mich so“, sagt sie, „ich trage die Lebenserfahrung meiner Ahnen und Urahnen in mir.“ Dieses Wissen mache sie zu einer Friedensbotschafterin, die auf der ganzen Welt zuhause sei.
Ein Mikrokosmos der Vielfalt
Zunächst kam die Welt zu ihr, denn Suriname ist ein Mikrokosmos der Vielfalt. „In meiner Kindheit saß ich häufig auf dem Balkon“, erinnert sich Judith Dors. „Und da kam die Welt an mir vorbei.“ Eine Inderin, gekleidet im leuchtenden Sari, stolzierte über die Straße, eine Chinesin trippelte mit kleinen Schritten hinterher. Die kleine Judith sah die unterschiedlichsten Menschen. Jahre später reiste sie selbst nach Indien oder China, um zu sehen, „woher meine Mitbürger kommen“.
In Suriname, der einstigen niederländischen Kolonie, lebt schließlich der Moksi, der Mix. Es gibt die indigene Bevölkerung, die Arawak, dazu Menschen, deren Vorfahren als Sklaven aus Afrika nach Suriname verschleppt wurden, Chinesen, Inder, Niederländer, Indonesier. Ihre Familien kamen in der wechselhaften, auch leidvollen Geschichte nach Suriname. Sie bauten Synagogen, Moscheen, Tempel und Kirchen. Manchmal stehen diese in den Straßen der Hauptstadt Paramaribo unmittelbar nebeneinander.
Judith Dors selbst ist in einer christlichen Familie aufgewachsen. „Wenn jemand Geburtstag hatte, kam immer gleich morgens der Pastor mit einer Blaskapelle“, erzählt sie. Feste feiern, Gott preisen, das ist ihr Glaubensalltag. Dieser Alltag blieb, als Judith Dors als 15-Jährige mit ihrer Familie in die Niederlande auswanderte. Ihre Mutter konnte dort Pädagogik studieren.
Auf den Bauch hören
Doch das Wissen ihrer Herkunft nahm sie mit, etwa Kenntnisse über Wildkräuter. Diese nutzen die Menschen Surinames zu rituellen Waschungen in wilden Flüssen, verborgen in den Wäldern. „Die Reinigung gibt Kraft. Und darum leben die Menschen in Suriname seit 100 Jahren in Frieden miteinander“, sagt Dors. Sie erinnert an den Segen Gottes. „Gott ist oben, die Erde ist unten“, sagt Dors. „Er schickt uns Menschen, damit wir handeln.“ Sie bringt deswegen die Kräuter nach Europa, erzählt von deren Kraft und verkauft sie. Vor sechs Jahren zog Judith Dors dafür nach Hamburg. Sie kannte die Stadt von früher, hatte einen guten Freund dort. Und da war noch etwas: „Ich fand hier die Sprache, um das, was in meiner Seele war, auszudrücken“, sagt sie. Worte wie „voller Hingabe“ und „Begeisterung“ entdeckte sie als ihre Herzenssprache.
Doch genau diese Hingabe vermisst sie manchmal. Einmal besuchte Dors beispielsweise einen Chor. Sie beobachtete, wie ihr Nachbar nur zaghaft seine Lippen bewegte und kaum hörbar mitsang. Das habe sie traurig gemacht und lange beschäftigt – die „Lähmung“, wie sie sagt.
In Hamburg geht Judith Dors ab und zu zum Weltladen im Dorothee-Sölle-Haus – der sie zum Weltgebetstag brachte. „Ich sagte dort oft: ‚Ich will von meinem Land erzählen‘“, erinnert sie sich, „richtig genervt habe ich.“ Sie lacht. Denn irgendwann war es so weit: Ihre Heimat Suriname entpuppte sich als Land des Weltgebetstags 2018, das Weltladenteam vermittelte den Kontakt zwischen Judith Dors und dem Frauenwerk. Seitdem ist sie Länderreferentin. „Ich möchte die Frauen daran erinnern, dass sie auf ihren Bauch hören sollen“, sagt Dors. „Denn da liegt unsere Intuition. ‚Frieden ist möglich‘, sagt sie. Mit uns selbst und mit allen anderen.“
„Ich berühre damit etwas“, beobachtet Judith Dors. Zugleich gibt es in ihren Vorträgen einen Moment, in dem sie selbst gerührt ist. Dann bringt sie den Frauen die Nationalhymne Surinames bei. Laut und mutig singen sie gemeinsam die fremde schöne Sprache.